Just Another Ant
Friday, 11. July 2003

Gerade gelesen, daß Queen-Gitarrist Brian May schon seit einigen Jahren an einer Biographie des Stereo-Photographen T.R. Williams arbeitet.

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Wednesday, 9. July 2003

Ein nettes, kürzeres Portrait von Alan Moore im Sunday Herald:

He rarely leaves the town: 'I sit here in Northampton and the entire world passes me by and that's how I like it,' he says. 'The world at present moves so fast that if you stand still, then everywhere will eventually come to you. Just sitting still in the 21st century is a very kinetic experience. Plus I've a certain kind of anonymity here. People treat me the way I was treated before I became famous -- with complete contempt.'

[via Alan Moore Mailingliste]

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Fantagraphics in der Village Voice


[Graphic Content]

Hans Magnus Enzensberger wird als "philosopher" erwähnt.

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Sunday, 6. July 2003
Peter Niklas Wilson über "New Complexity"

Immer wenn ich etwas von Peter Niklas Wilson lese - er ist Autor von u.a. Biographien über Charlie Parker, Miles Davis, Ornette Coleman, Sonny Rollins und Anthony Braxton (alle Oreos Verlag) - muß ich an eine Rezension in Testcard denken, wo Johannes Ullmaier als Abschluß seiner Besprechung von Wilsons Buch über Albert Ayler (Wolke) meint:

Ein kulturbeflissener Diktator würde den Autor
[Wilson] so oft klonen lassen, daß bald über jeden wichtigeren Musiker ein entsprechendes Kompendium vorläge.

Wie wahr, wie wahr!

Heute rezensiert Wilson in der NZZ sehr kritisch einen Reader zum Thema "New Complexity". Ausnahmsweise bin ich nicht mit ihm d'accord, denn ich sehe dieses Genre (der Perlentaucher liefert einige Komponisten-Links) keineswegs als Art pour l'art, sondern - in seinen gelungensten Beispielen - als Verweis auf eine eben schwer zu durchschauende, hochkomplexe Realität, bei der man sich Verständnis auch erst erarbeiten muß.
Das Ironische an meiner Skepsis über Wilsons Skepsis ist natürlich, daß ich jemand bin, der seine populärmusikalische Sozialisation wohl nie wird abschütteln können. Wenn manche Vertreter der "New Complexity" schon einen Nono und Scelsi ablehnen, so würden sie wohl über die vergleichbare Schlichtheit selbst der avanciertesten Rockmusik nur entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

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Saturday, 5. July 2003
"Watching Movies With..." (NYT)

Interessant ist die vor einiger Zeit in der NY Times abgedruckte Serie "Watching Movies With" in der bekannte Regisseure/Schauspieler/Kameraleute/Produzenten einen ihren Lieblingsfilme gemeinsam mit einem "Times"-Redakteur ansahen und kommentierten.

Die möglicherweise unvollständige Liste der Folgen:

Quentin Tarrantino suchte sich einen Roy Rogers-Film, "The Golden Stallion" (1949) aus, Kevin Costner "Cool Hand Luke" (Stuart Rosenberg), Ang Lee "Love Eternal" (Li Hanxiang), Janusz Kaminski "Vanishing Point" (Richard Sarafian), Julianne Moore "Rosemary's Baby" (Roman Polanski), Woody Allen "Shane" (George Stevens), Denzel Washington "Ordinary People" (Robert Redford), Harvey Weinstein "Exodus" (Otto Preminger), Nicole Kidman "The Shining" (Stanley Kubrick), Brian Grazer "Blazing Saddles" (Mel Brooks), Sissy Spacek "To Kill A Mockingbird" (Robert Mulligan), Wes Anderson "L'argent de poche" (Francois Truffaut), Barry Sonnenfeld Kubricks "Dr. Strangelove" und Barry Levinson "On The Waterfront" von Elia Kazan. Der Höhepunkt der Reihe, die es mittlerweile auch als Buch gibt, war Steven Soderbergh über Alan J. Pakulas "All The President's Men", ein Beitrag, der aus irgendeinem Grund noch nicht im kostenpflichtigen Archiv verschwunden ist.

Die taz bespricht heute zwei neue deutschsprachige Monographien über Soderbergh.

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Friday, 4. July 2003

Die bemerkenswerteste Erkenntnis, die ich aus dem einmalige Hören von Earth, Wind & Fires "Best Of" [All Music Guide] gewonnen habe (neben der Ernüchterung durch den spirituellen Enthusiamus der Gruppe): Die Akkorde und die Rhythmusgitarre von "The Way of The World" (vom gleichnamigen Album, 1975) hören sich verdächtig nach Lenny Kravitz' 16 Jahre später entstandenem, nettem Soul-Pastiche "It Ain't Over 'Til It's Over" an.

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Thursday, 3. July 2003

Ein älterer Artikel aus der "New York Review of Books" über Italien, mit dem Schwerpunkt auf der ersten Hälfte der Neunziger. ("Corruption probe" betitelt die BBC diese Zeit).

A necessary catalyst
[for the beginning of anti-corruption measures] was the end of the cold war and the fall of the Berlin wall; many voters now felt they no longer had to support parties that for more than forty years, by magnifying and exploiting the fear of communism, had maintained an increasingly unmerited dominance over Italian politics.

Another momentous change came when the Italian Communist party dissolved itself in 1990, permitting its more moderate members to form a quite different Democratic Party of the Left, which the die-hards refused to join.

Interessant auch, daß Denis Mack Smith - zumindest 1995 - Umberto Bossi Positives abzugewinnen weiß:

Equally important in changing the political balance was the formation of Umberto Bossi's Lombard League which, along with other regional groups in the north, achieved a remarkable electoral success as a populist party of protest against corruption and over-centralized government.

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Wilhelm v. Humboldt/Jean-Francois Champollion

Ich zeige wieder einmal die Einfalt dessen, der sich durch Superlative beeindrucken läßt:

Bei alldem stand er
[Wilhelm von Humboldt] auf solidem empirischen Fundament. Seine Sprachenkenntnis war phänomenal; er beherrschte das Französische, Englische, Italienische und Spanische in Wort und Schrift; ebenso Griechisch, Lateinisch, Baskisch, Provenzalisch, Ungarisch, Tschechisch, Litausch. Mehr als zwei Jahrzehnte beschäftigte er sich mit den Eingeborenensprachen Mittel-, Süd- und Nordamerikas; er befaßte sich mit dem Koptischen, Altägyptischen (1822 entzifferte Champollion die Hieroglyphen), Chinesischen und Japanischen, ab 1820 vor allem mit dem Sanskrit. Seit 1827 trat noch die Beschäftigung mit den malayisch-polynesischen Sprachen hinzu. Dieselbe Arbeitsintensität, mit der er einst das preußische Unterrichtswesen zu ordnen oder das Dickicht des politischen Alltags durch "Prinzipien" zu lichten unternommen hatte, wandte er nun an die Erforschung der menschlichen Sprachen. Alein aus den Jahren 1820 bis 1823 fanden sich im Nachlaß etwa dreißig selbstverfaßte Grammatiken und Wörterbücher amerikanischer Sprachen. Das Fragment "Analyse der mexikanischen Sprache" und die Vorlesung "Inwiefern läßt sich der ehemalige Kulturstand der eingeborenen Völker Amerikas aus den Überresten ihrer Sprache bestimmen?" wurden erst lange nach Humboldts Tod gedruckt. Kaum hatte er sich eineinhalb Jahre mit dem Sanskrit befaßt, da publizierte er bereits einen Aufsatz über die Verbalformen des Sanskrit, der Franz Bopps und A.W. Schlegels Beifall fand. 1825 und 1826 widmete er sich dem Studium der unter dem Namen "Bhagavadgita" bekannten Episode des "Mahabharata". 1828 las Humboldt in Paris über den Vergleich griechischer mit sanskritischer Tempusbildung. Kleinere Aufsätze hatten das Thema der Schrift und ihres Verhältnisses zur Sprache zum Gegenstand; so der Essay "Über die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau", den er am 20. Mai 1824 in der Berliner Akademie vortrug.
(Peter Berglar: Wilhelm von Humboldt. rororo bildmonographie 161, S. 129-130)

Apropos Champollion: Die Sammelrezension von John Sturrock mit dem Titel "Key words: unlocking lost languages" wollte ich schon länger verlinken [LRB Guardian].

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Friday, 27. June 2003


My take on the scifi/lit debate is that I'd rather
read a novel that starts with a car pulling into
a garage than one that starts with a rocket landing
at a spaceport. I think the classical temper in
literature has always been about descriptive
psychology, and to me that's what makes lit valuable
and enjoyable.

Jorn Barger einleitend über William Gibson und dessen "Pattern Recognition" [Google Groups]

Der Blogger-Pionier J.B. ist überhaupt ein ungemein interessanter Mensch. Ich weiß zwar nicht recht, was von einigen seiner Grundthesen zu halten ist (z.B. "Finnegans Wake" als Ausgangspunbkt eines humanpsychologischen Grundinventars). Trotzdem faszinierend, wie er, und das bereits jahrelang, als Polyhistor obsessiv verlinkt, listet und schreibt. Selbst für einen Timeline-Enthusiasten wie ihn ist seine fünfteilige Seite über Knowledge-Representation eine erstaunliche Tour de Force. Aber leider, wo viel Licht, da auch viel - oder zumindest merkbar - Schatten. Fast vernachlässigenswert ist der anti-akademische Reflex, den Barger wie nicht wenige Autodidakten hat. Schwerer wiegt da schon das, was im Gefolge von 9/11 in seinem Weblog zu lesen war (und mich doch einige Zeit verzweifeln ließ). Ich will hier nicht näher in die unangenehmen Details gehen, wer Robotwisdom.com regelmäßig verfolgt, wird sicher wissen, was ich meine. Nichtsdestoweniger gehört Barger zu den Netizens, die ich gerne IRL kennenlernen würde, vielleicht auch, um mich über die erwähnten verstörenden Aspekte seiner Online-Existenz zu beruhigen.

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Thursday, 26. June 2003
Vincent Gallo und "The Brown Bunny"

Eine sehr gelungene Seite über den selbstbewußt-schwierigen, widersprüchlichen Vincent Gallo ist galloappreciation.com.

Zitat aus einem Artikel der Village Voice über Gallos "The Brown Bunny" in Cannes:

"The question is not how did I do it all myself," goes a typical Galloism (he claims he worked with a crew of two). "It's, How did I put up with the incompetence of the people I had to work with?"

Außerdem wird die angebliche Entschuldigung Gallos für seinen Film in ihrem Kontext abgedruckt:

"This is a place where merchandise or tangible objects are brought and sold to be marketed as entertainment throughout the world," he said. "I made one of these things that's supposed to entertain people. To criticize a movie because it's unsuccessful in that purpose, I accept that. They're right. If no one wants to see the movie then it's a disastrous film and a waste of time. And I apologize to the financiers."

Link via Film-Philosophy Salon wo es derzeit eine Diskussion [Thread 1/Thread 2]* über Gallo gibt.

*"Subject" anklicken, um im Thread weiterzukommen.

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Monday, 23. June 2003
Paul Celan: Gedichte

Höchst interessant finde ich als Laie Helmut Böttigers Besprechung [DLF Büchermarkt] der von Barbara Wiedemann herausgegebenen Celan-Gedichte.

Zitat:

Celans Bibliothek ist äußerst aufschlussreich. Celan hat bei seinen Lektüren häufig Wörter angestrichen, die sich dann in seinen Gedichten finden – seltene, auffällige oder bildhafte. Es ergeben sich unerwartet konkrete Bezüge. Aus „Brehms Tierleben“ etwa entnahm Celan die Bezeichnungen für Lebewesen wie „Steindattel“, eine Muschelart, oder „Lungenqualle“ – diese Wörter tauchen als Chiffren, die einen neuen Assoziationshorizont erschließen, in Gedichten von ihm wieder auf. Besonders fruchtbar scheint die Lektüre von Jean Pauls „Kampaner Thal“ und Arno Schmidts „Leviathan“ gewesen zu sein, hier schrieb sich Celan viele Wörter heraus, die ihm unverbraucht schienen, die er in seiner Lyrik neu intonieren konnte. Bei Jean Paul finden sich Wörter, die Tausende von Celan-Exegeten in aller Welt bisher in ihrer Rätselhaftigkeit ins Schwitzen gebracht haben, Wörter wie „Schneegarn“, „Sprachgitter“, „Schlafkorn“ oder „Neben-Erde“. Das Wort „Nebenerde“ beispielsweise taucht am Anfang von Jean Pauls im Jahr 1797 veröffentlichten wundersamen Geschichte „Das Kampaner Thal“ auf.

Der MP3-Mittschnitt der Sendung ist derzeit noch nicht online, dürfte aber bald unter dieser Adresse zu laden sein.

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Sunday, 22. June 2003
Fassbinder DVD

Alex Abramovich bespricht in der NYT die Criterion-2DVD-Edition von "Angst essen Seele auf" ("Ali: Fear Eats The Soul"). Sein Urteil: "Glorious", "absurdly generous".

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Friday, 20. June 2003
"Der Pinscher als Patriot"

Seit Jahr und Tag schreibt Günter Traxler in seiner "Standard"-Kolumne "Blattsalat" als Sisyphus gegen seinen Stein, die Kronenzeitung, an. Der satirische Effekt ist nicht zuletzt auf selbstparodistische Tendenzen des, wie man in Österreich so sagt, Kleinformats zurückzuführen - Traxler zitiert die "Krone" ausführlich. Wie er diese Zitate mit seinen Zwischentexten verbindet führt zu äußerst komisch-irritierenden Resultaten.

Der aktuelle "Blattsalat" ("Der Pinscher als Patriot"*) beginnt folgendermaßen (O-Ton "Krone" kursiv):

"Eine gediegene Mischung aus Xenophobie und Zoophilie ist seit langem bewährte Geschäftsgrundlage der "Kronen Zeitung", an der zu rütteln auch der Wiener Erzbischof, der das Blatt gern und regelmäßig als Kanzel für seine Sonntagspredigten nutzt, keinen Anlass sieht. Nun ist im Kleinformat mit dem großen Herzen eine neue Variante der einen Seuche ausgebrochen, ohne dass die andere eine Mutation erfahren hätte - die Dogmania. Österreich sucht den Superhund. Dass die mystische Einheit von Österreich und der "Krone" jeden Befall mit Xenomania ausschließt, liegt auf der Hand, denn wenn Österreich den Superhund sucht, sind Ausländer bestenfalls der hohe Preis für die Ostöffnung.

Beim Vergleich zwischen einem inländischen Hund und einem Ausländer spricht alles für den Hund, die jeweiligen "Krone"-Spezialisten sprachen es in den letzten Tagen offen aus. Ehre, wem Ehre gebührt!"
[Blattsalat 20.6.2003]

Fast schon unheimlich werden die Traxler-Kolumnen in der Text-Version des Online-"Standards" [Beispiel], wo man aus irgendeinem Grund auf die Formatierungen verzichtet. Da bilden die Zitate und Traxlers parodistisches Wörtlichnehmen des Krone-Jargons eine schwer voneinander zu unterscheidende Collage.

Für alle, die beneidenswerterweise nicht wissen, was es mit der "Krone" auf sich hat: Dieser Zeit-Artikel von Christian Ankowitsch bietet eine kurze Einführung.

*Kronenzeitung:
Dieser herzige Racker ist nicht nur ein süßer Begleiter und "Helfer" bei der Heuernte - er ist auch ein waschechter Österreicher. Der Pinscher ist die einzige heimische Rasse, jedoch fast schon in Vergessenheit geraten.

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Tuesday, 17. June 2003
Gary Groth Interview

Bei Newsarama äußert sich der Comic-Verleger über die finanziellen Nöte von Fantagraphics, die vorerst - dank einer Solidaritäts-Bücherkauf-Aktion der Leser - gebannt scheinen.

Sequential Tart hat ein älteres Interview mit Näherem zu Groths Hintergrund.

Noch immer nicht gelesen habe ich diesen sehr langen Artikel aus dem Gauntlet-Magazin über die Auseinandersetzung Gary Groth - Harlan Ellison (beide sind ja durchaus streitbare Herren).

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Sunday, 15. June 2003
George Pataki im NYT Magazine

Going for Broke ist ein längeres Portrait des republikanischen Gouverneurs von New York. Es enthält einige Spitzen der Autorin Jennifer Senior gegen dessen Pragmatismus, oder weniger freundlich ausgedrückt, Opportunismus. Beispiel:

Pataki worked to provide large pay raises for the members of her teachers' union before the election [of 2002], then issued a budget that called for about $1.24 billion in education cuts.

Der Artikel ist denn auch genau um diese Budgetverhandlungen im April aufgebaut, als krisenhaftes Ereignis in Patakis Politikerleben. Dieser wehrte sich gegen Steuererhöhungen, wurde aber überstimmt. Außerdem gibt es, als Detail am Rande, eine kleines Sittenbild amerikanischer Konservativer wie Alfonse D'Amato, den Senior nicht zu Unrecht als "South Park" vulgarian bezeichnet.

Pataki hat laut rechtem Parteiflügel der Republikaner keine Chance, Präsident zu werden.

Howard Wolfson, former head of the Democratic Congressional Campaign Committee, says, "Let me put it this way: George Pataki is more liberal than many of the Democrats we had running for Congress in 2002."

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Anthony Braxton

Heute Abend auf Bayern Alpha um 21:30 ist die Aufzeichnung eines Konzerts von Anthony Braxton zu sehen und zwar im Rahmen der von Michael Naura zusammengestellten Reihe "Saxophon Stars" (ha!). Diese Folge sollte man sich ebenso wie die mit John Surman (29. Juli) und Peter Brötzmann (27. Juli) nicht entgehen lassen. Von Braxton gibt es wenige Videodokumente, sogar nur ein käuflich erhältliches (Woodstock Jazz Festival 1981, u.a. mit Pat Metheny!). Über Besetzung/Ort/Datum des morgigen Konzerts weiß ich nichts Sicheres, vermutlich handelt es sich aber um ein deutsches von (wieder) 1981.

Das erste Braxton-Stück, das ich je gehört habe, war Comp. 40B ("Six Compositions: Quartet"), eine unglaublich eingängige und trotzdem den Neoklassizismus transzendierende Bebop-Paraphrase.

Zitat Peter Niklas Wilson (aus "Anthony Braxton. Sein Leben. Seine Musik. Seine Schallplatten.", erschienen im Oreos Verlag):

In Composition 40B [...] wird der stete Achtelnoten-Fluß durch den Wechsel von großen Sprüngen und Tonrepetitionen konterkariert. Mal scheint sich die Melodie auf einem Ton "festzufressen", um sich schon im nächsten Moment in weit gestreute Tonpunkte aufzulösen. Zu diesem erratischen Charakter trägt noch die frei atonale Tonauswahl bei, die alle zwölf chromatischen Stufen einbezieht.

[MP3 Comp. 40 B 3:15 ~3MB]

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Saturday, 7. June 2003
David Thomson: Chris Marker (NYT)

Ein später Hinweis bevor der Artikel im kostenpflichtigen Archiv verschwindet (und angeregt durch new filmkritik vom 28. Mai 2003):

David Thomson in der NYT (1. Juni 2003) über Chris Marker.

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Friday, 23. May 2003
"Shy"


Caroline Knapp erzählt (mit einer tragikomischen Pointe) über ihre Schüchternheit:

Consider the parents of boyfriends, a category that's always ranked high on my list of shy-provoking personalities, always pushed the major fear buttons (fear of being judged badly, fear of failing to fit in, fear of being deemed an inadequate partner). I've tended to compensate for my discomfort and silence by acting the way I did as a shy kid at family gatherings, by reaching into my bag of good-girl tricks and expecting to be seen accordingly: I might not say a word during dinner, but I'll set the table, I'll leap up and clear the dishes when the meal is over, I'll work that smiling-shyly, eager-to-please affect for all it's worth. See how helpful I am? How good-hearted and eager to please?

Astonishingly, this hasn't always worked. In fact, it's almost never worked. Parents of boyfriends have typically found me aloof, standoffish, inscrutable. After a long weekend at his parents' house, a three-day family gathering in which I struggled to compensate for my mute discomfort by making beds, cooking breakfast, even chopping wood, one ex-boyfriend confessed that his mother thought I was downright rude. [Salon C. Knapp "Shy"]

Gefunden über Laura Millers Rezension [Daypass nötig] von Knapp letztem Buch, "Appetites". Caroline Knapp hat ein in seiner Grundtendenz (noch einmal) tragisches Leben erlitten: Als Jugendliche Anorexie, später alkoholkrank, starb sie schließlich voriges Jahr an Lungenkrebs.

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Tuesday, 13. May 2003
Peter Tscherkassky

...hat eine feine Homepage mit längeren Texten von Alexander Horwath, Amy Taubin und anderen. Besonders interessant: Tscherkasskys 40-seitiger Essay "Die rekonstruierte Kinematographie. Zur Filmavantgarde in Österreich" [pdf].

Dank an new filmkritik für den ARTE "Kurzschluss"-Hinweis.

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Sunday, 11. May 2003

Ekkehard Knörer über die Filmzeitschrift "steadycam" und unpragmatisches cinephiles Glück [Jumpcut 10.5.2003].

Bei der "steadycam"-Partnerseite Heimkinomarkt gibts ein Anthony Hopkins-Portrait [pdf] von Brigitte Desalm als Gratisdemo.

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Friday, 9. May 2003
Manuel Noriega und teuflischer Rock

Ich wünschte nur, mir würde eine originellere Überschrift dafür einfallen:

Sechs Jahre später, 1989, eroberten die USA in Rahmen ihres "War On Drugs" Panama, um des wegen Drogenhandels und Menschenrechtsverletzungen angeklagten Dikators Manuel Noriega habhaft zu werden. Als dieser sich in der Botschaft des Vatikans versteckte, machte das US-Militär Rock'n'Roll zu seiner Waffe. Weil der angeblich abergläubische Noriega den Teufel fürchtete, wollte man ihn mit "teuflischer" Musik herausfordern. Um die Botschaft herum installierte die Truppe Lautsprecher und begann eine ohrenbetäubende Dauerbeschallung. Der erste Song war bezeichnend: "Welcome to the Jungle" von Guns'n'Roses. Auf der Playlist standen zunächst besonders "teuflische" Bands wie The Birthday Party, Pussy Galore oder Sonic Youth, aber als die einflussreiche Elternorganisation von Tipper Gore - der Gemahlin des späteren Vizepräsidenten Al Gore - sich beschwerte, wurde das Programm abgemildert: U2, The Alarm, Mötley Crüe, John Cougar Mellencamp, Love and Rockets, The Replacements, The Dead Milkman, Madonna. Noriega gab auf.

(Tom Holert/Mark Terkessidis: Entsichert. Krieg als Massenkultur im 21. Jahrhundert. KiWi 714 S. 54f.)

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Thursday, 8. May 2003
Derek Bailey

Dreimal hintereinander Derek Baileys faszinierende Version von "My Melancholy Baby" gehört [3.4 MB MP3 via der Jan. '03 Ausgabe des Unofficial The Wire Audio Guide]. Das Stück stammt aus der Platte Ballads. Bemerkenswert, daß sich Bailey hier kurz des traditionellen Jazz-Gitarren-Idioms bedient. Nach gerade mal dreißig Sekunden fährt er dann umso heftiger drein.

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Monday, 5. May 2003

Laura Miller (Salon, NYT) rezensiert [New Yorker May 5, 2003] eine (Drogen-)Autobiographie, James Freys "A Million Little Pieces", und unterläuft ironisch (aber nicht respektlos) die spektakulären Intentionen des Buchs:

Although [...] Frey writes about events that happened when he was no longer a teen-ager, conventional wisdom has it that the emotional development of an addict remains stalled at the age he started using. Frey—who began getting drunk at ten, expanded into cocaine, LSD, and speed at fifteen, and by twenty-two had a crack habit—actually beats the formula by a few years; he’s got more or less the temperament and insight of a sixteen-year-old.

[...]
To convey all this, Frey has chosen a prose style that alternates between perfervid run-ons and that variety of conjunction-heavy terseness which provides such a sturdy vehicle for masculine self-pity: “I go to the Bathroom and I shower and I brush my teeth and I shave. I avoid the mirror. I don’t look at my eyes and I don’t look at myself. I shower brush my teeth shave.”

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Thursday, 24. April 2003
Harun Farocki über Fassbinder und dessen "Acht Stunden..."


Der Fassbinder, den ich zu Lebzeiten ganz furchtbar fand, mich furchtbar störte, mit seinem Verfahren, weil er ja auch so unprogrammatisch war und so prinzipienlos, weil er ja nicht Avantgarde, sondern zurück zum scheinfunktionierenden Kino trieb, das er fast für sich selber wiedererfand. Heute würde ich auch sagen, daß das im Sinne Deiner Frage ein linker Filmemacher gewesen ist. Also 'Acht Stunden sind kein Tag' ist für mich Literatur der Arbeitswelt im Fernsehen. (Lacht) Das ist furchtbarer Scheiß. Aber wahrscheinlich hast Du trotzdem recht, ich hab das neulich mal gesehen. Wenn die Arbeiter sich immer so zunicken, wenn die Hanna Schygulla dem John da so zunickt, und Kopf hoch, wir schaffen das schon, unglaublich, als ob Deutschland 1941 in einer Bombennacht überleben müßte. Es ist ja wirklich die gleiche Figur, des Kopf hoch, wir schaffen das schon! Und wir kleinen Leute sind gar nicht so dumm. Das ist ja eigentlich ganz entsetzlich, und vor allen Dingen die Lieblosigkeit seiner Inszenierung, wo er immer so an der Maschine steht und sagt: Ey hör mal hast Du eigentlich... Das ist ja unglaublich, dieser Vorwand, zwischen Boulevardtheater und Industrie hin und herzuschwanken. Gut, vielleicht ist das trotzdem ein ganz großartiger Film. Ich hab damit oft genug meine analytischen Niederlagen erlebt.
[Was war links? Folge 4]

Was war links? ist eine "offizielle" Homepage, die meinem Ideal entspricht: Keine Frames, Javascript etc., dafür aber komplette Transkriptionen. Aus denen sich übrigens einiges zitieren ließe, z.B. W.F. Haugs merklich animierte Bemerkungen gegen Ende der 4. Folge.

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Wednesday, 23. April 2003

John Cage Vignette über Jazz und Rock [Cage Mailinglistenarchiv]

Herb Levy* dazu:

Equally true is the fact that in different interviews and discussions from various periods Cage said wildly contradictory things. In some later interviews Cage spoke highly of at least some kinds of improvisations &, for what it's worth, much of his argument against the work of Glenn Branca (well-known in some circles, not least, because Branca likes to position himself as the new music guy that Cage didn't like) seems to be rooted at least in part on Cage not liking fairly standard rock band gestures.

So I'd take this quote with a lot of grains of salt. In general, [...] I'm not sure it's worth a lot of time to defend or counter statements of Cage's opinions such as these.

*DJ der Internetradiosendung "Mappings" (die leider schon einige Zeit pausiert)

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Monday, 21. April 2003

Eine seltsame Passage aus Doris Lessings "The Jewel of Africa" [NYRoB 6/2003]:

Mugabe is now widely execrated, and rightly, but blame for him began late. Nothing is more astonishing than the silence about him for so many years among liberals and well-wishers—the politically correct. What crimes have been committed in the name of political correctness. A man may get away with murder, if he is black. Mugabe did, for many years.

Daß der "Political Correctness" alles Mögliche und Unmögliche vorgeworfen wird, ist man ja mittlerweile gewohnt (jemand sollte eine Liste dieser angeblichen Verfehlungen anlegen, eine Art Anti-PC Watch). Die Schärfe von Lessing ist allerdings ungewöhnlich, ausgelöst vielleicht durch den fehlgeleiteten (verständlichen) Zorn über Mugabes Versagen. Trotzdem erscheint mir der vorletzte Satz sehr prekär.

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Wednesday, 9. April 2003

Heute um 20:45 auf ARTE: Alex Gibreys und Eugene Jareckis "Angeklagt: Henry Kissinger" ("The Trials of Henry Kissinger"). In der taz Vorschau schreibt Rainer Braun:

Gleichwohl geht es den Autoren Alex Gibrey und Eugene Jarecki nicht darum, die Person Kissingers zu dämonisieren oder zu psychologisieren.

Jonathan Rosenbaum meint hingegen:

But I soon began to wonder why the filmmakers insist on personalizing--and thereby mystifying--the institutional policies implementing this mischief, and whether Hitchens's own brand of Vanity Fair star politics (which apparently focuses on Kissinger because he attends some of the same parties) led to his recent swerve to the right and his endorsement of Bush's preemptive war tactics.
[Chicago Reader Movie Capsules]

Christopher Hitchens' umfangreichen, im "Harper's Magazine" erschienen Artikel "The Case Against Henry Kissinger", der als Ausgangspunkt der Dokumentation gedient hat, gibt es auch online [Part 1/Part 2]

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Friday, 4. April 2003
James Fei

Großartig ist der Saxophonist und Anthony Braxton-Alumnus James Fei [Homepage]. Die zahlreichen MP3-Ausschnitte sind zwar meistens kurz, vermitteln aber einen guten Eindruck von Feis klangforschender Originalität.

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Ein Stück aus der neuen Platte des Violinisten Mat Maneri als MP3 [Salon Audio, werbegestützter "Daypass" für Nichtabonnenten notwendig]

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Tuesday, 1. April 2003
R. Blecher: Intellectuals, Democracy and American Empire

Das [Middle East Report] ist wirklich höchst interessant. Robert Blecher vergleicht die aktuellen Ansichten amerikanischer Meinungsführer zur Demokratisierung des Irak mit ihren Aussagen zur Zeit des Golfkriegs. Natürlich braucht es bei weitem keine zwölf, dreizehn Jahre, um über ein Problem anders zu denken. Trotzdem frappierend, wieviel optimistischer Colin Powell, Daniel Pipes, Thomas Friedman und Bernard Lewis die Möglichkeit politischer Veränderung im Nahen Osten mittels westlicher Waffengewalt heute einschätzen. [via Phil-Lit Mailingliste]

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Sunday, 30. March 2003

Feines Interview mit dem Historiker Tony Judt über die amerikanisch-europäischen Beziehungen [Standard.at]. Nur den Ausdruck "White Trash" mag ich nicht so recht (es geht um Bill Clinton, der laut "Standard" eine "interessante Mischung zwischen Südstaaten-White-Trash und Oxford-Stipendiat" ist).

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Tuesday, 25. March 2003
Edward Said: The Other America

[Counterpunch]

Gut gefällt mir der quasi ethnologische Blick auf Amerika. Die Politiker und pundits sowohl der arabischen als auch der westlichen Seite werden heftig kritisiert. Said wirft ihnen kulturelle und sprachliche Unkenntnis vor:

For at least three generations, Arab leaders, politicians, and their more often than not American-trained advisers have been formulating policies for their countries whose basis is an almost completely fictitious and quite fanciful idea of what America is.
[...] the Palestinians' almost caricatural knowledge of America (based mainly on hearsay and cursory readings in Time magazine)
[...] Their simplified view of America was monumentally unchanged, as it still is today.
[...] there is a vital need for knowing as much about its [America's] swirling dynamics as is humanly possible. And that, I believe, also includes commanding an excellent working command of the language, something few Arab leaders (as a case in point) possess.

und

And if that is not bad enough, the [American] airwaves are filled with ex-military men, terrorism experts, and Middle East policy analysts who know none of the relevant languages, may never have seen any part of the Middle East, and are too poorly educated to be expert at anything, all of them arguing in a memorised jargon about the need for 'us' to do something about Iraq, while preparing our windows and cars for an impending poison gas attack.

Die Israel-Kritik, die (natürlich, möchte man sagen)vorkommt, bereitet mir doch Unbehagen. Said liegt sicher nicht falsch, wenn er beklagt, daß die israelische Gesellschaft und die jüdischen Amerikaner nach Rechts gerückt und eine seltsame Allianz mit christlichen Fundamentalisten unter US-Politikern eingegangen sind (diese Feststellung ist mittlerweile allerdings auch zum Allgemeinplatz geworden).

Die letzten Absätze des Essays treten für ein dynamisches Amerika-Bild ein und richten sich gegen Huntingtons statischen Kulturbegriff:

I have tried to suggest another way of seeing America as indeed a troubled country with a more contested actuality than is usually ascribed to it. I think it is more accurate to apprehend America as embroiled in a serious clash of identities whose counterparts are visible as similar contests throughout the rest of the world. America may have won the Cold War, as the popular phrase has it, but the actual results of that victory within America are very far from clear, the struggle not yet over. Too much of a focus on the American executive's centralising military and political power ignores the internal dialectics that continue and are nowhere near being settled. Abortion rights and the teaching of natural evolution are still issues of unsettled contentiousness.

The great fallacy of Fukuyama's thesis about the end of history, or for that matter Huntington's clash of civilisation theory, is that both wrongly assume that cultural history is a matter of clear-cut boundaries or of beginnings, middles and ends, whereas in fact, the cultural- political field is much more an arena of struggle over identity, self-definition and projection into the future.

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Friday, 14. March 2003

Einige der längeren Länder-Portraits der New Left Review gelesen. Tariq Alis Artikel [NLR The Colour Khaki]über Pakistan ist höchst empfehlenswert, wie üblich sehr gut geschrieben und polemisch, ebenso wie üblich. Eine aufschlußreiche Fußnote ist die Nr. 11:

Fahim’s
[Makhdoom Amin Fahim ist Chef der People's Party PPP] family claims descent from the first Muslims to enter the Subcontinent, the cohort of Muhammad bin Kasim who took Sind in 711. Women in early Islam owned and inherited property equally with men, a tradition that took root in parts of Sind. Landowners there devised an ingenious solution to prevent women from marrying outside the family, which could lead to the parcellization of the estates. The young heiresses were literally married off to the Koran—similar to nuns becoming brides of Christ. This preserved the girls’ virginity, which in turn provided them with magic healing powers; but above all ensured that the property remained under the control of their fathers and brothers. The problem posed by the four wealthy sisters of the PPP leader was thus piously solved.

Tausend Jahre russische Geschichte und den gegenwärtigen Stand (Dez. 2001) der Dinge versucht Georgi Derluguian in seinem knapp dreißigseitigen, durchaus gelungenen Beitrag zusammenzufassen [NLR Recasting Russia].

Robin Blackburn schreibt über seinen Besuch in Kuba und die kubanische Exilantengemeinde in Florida, über deren politischen und ökonomischen Hintergrund man einiges erfährt. Erwartungsgemäß kommen letztere bei Blackburn nicht besonders gut weg. Allerdings war die Instumentalierung der Affäre um Elián González wirklich kein Ruhmesblatt. [NLR Putting The Hammer Down On Cuba]

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Tuesday, 11. March 2003
Anthony Grafton

...hat eine nette autobiographische Skizze geschrieben [Balzan Foundation Link via Robotwisdom]. Graftons nächste Forschungsprojekte sind überaus spannend. So wird er etwa ein Buch über Athanasius Kircher in Kollaboration mit Ingrid Rowland, einer anderen Renaissance-Koryphäe, verfassen.

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Friday, 28. February 2003
Kent Jones über Pauline Kael

Ich weiß, "de mortius nil nisi bene" und ich bin auch nicht mit jeder Formulierung glücklich, aber ich glaube, daß Jones mit seiner Kritik Recht hat. Das Zitat stammt aus einem meiner Lieblings-Filmbücher, dem von Alexander Horwath bei der Edition Wespennest herausgegebenen "The Last Great American Picture Show. New Hollywood 1967-1976".

Der Essay von Jones ist eine Monte Hellman-Verteidigung mit dem Titel "Die Zylinder füsterten meinen Namen".

Ich hatte [Monte] Hellmans Filme auch in Pauline Kaels Buch "5001 Nights at the Movies" nachgeschlagen. Ich kann kein wörtliches Zitat anführen, weil ich mein Exemplar dieses Werks schon vor Jahren weggeworfen habe; aber es genügt festzustellen, daß sie von Hellman keineswegs beeindruckt war. Über "The Shooting" schrieb sie eine Kurzkritik, die den Film als quasi-existentialistische Übung abtat, nicht wert, genauer untersucht zu werden. Um Terrence Malicks "Badlands" zu verreißen, vergleicht sie ihn - für ihre Begriffe ein vernichtendes Urteil - mit "ein paar Filme von Monte Hellman". Das ist Kaels klassischer Stil - sie wirft einen Blick auf jemanden, irgend etwas paßt ihr nicht und schon ist das Spiel aus. Sie mokiert sich über jede Andeutung von Intellektualität im Kino, aber erkennt nicht das große Paradox ihrer eigenen Karriere: Sie veröffentlichte ihre Filme-sind-eine-Form-von-Volkskunst-und-haben-keinen-Platz-für-Intellektualität-Polemik in einem Magazin, dessen Leser intellektuelle Amerikaner waren und sind. Für jemanden, der angeblich über Filme Bescheid wußte und über die Gründe, warum sie so gut funktionieren, erlegte sie ihnen überraschend viele Restriktionen auf. Wie eine ängstliche, eitle Mutter versuchte Kael immer, ihre Kinder schön in einer Reihe Aufstellung nehmen zu lassen. Ihr ständiger Gebrauch des Wortes "wir" (wie zum Beispiel in: "Wir empfinden nichts für diese Figuren, weil wir sie einfach nicht mögen.") wurde oft als hoheitsvoll empfunden, doch in meinen Ohren klingt dieses "wir" nur mütterlich.

Für diese Glucke galt man, wenn man Hellman, Malick, Rafelson, oder (nach "Taxi Driver") Scorsese hieß, nicht nur als schwarzes Schaf - man war es nicht einmal wert, diskutiert zu werden. Die Kinder bekamen die strenge Anweisung wegzusehen, wenn sie einem auf der Straße begegneten. Kael hat einmal gesagt, daß die siebziger Jahre das Goldene Zeitalter des amerikanischen Kinos waren, und ich neige dazu, mit ihr übereinzustimmen, aber sie war für einen Tonfall verantwortlich, der in dieser Ära viele Möglichkeiten ausgemerzt hat (ironischerweise gilt das auch, wenngleich in weit geringerem Ausmaß, für Andrew Sarris mit seiner Liebe zum "klassischen" Kino). Diesem reaktionären Tonfall, der sich in der Filmkritik ausbreitete, ist es vor allem zuzuschreiben, daß die Filme der frühen siebziger Jahre - die Filme nach "Easy Rider" ("Two-Lane Blacktop", "The Last Movie", "The Hired Hand", die Filme von Rafelson und Schatzberg etc.) noch immer als irregeleitete Halluzinationen empfunden werden und Spielberg, Lucas, De Palma als glorreiche Rückkehr zur früheren Form.

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Wednesday, 26. February 2003
Friedhelm Rathjen

Eine Linksammlung + News + Leseproben zu dem bekannten Übersetzer/Autor [Fördererkreis deutscher Schriftsteller in Niedersachsen und Bremen].

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"Karl Marx - der Kritiker des Kapitalismus"

Marcus Hammerschmitt [Homepage] hat diesen VHS-Vortrag von WF Haug online gestellt [Concord.antville pdf, die dazugehörige Diskussion].

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Insider-Report aus Davos

Diese e-Mail [Topica] der Wissenschaftsjournalistin Laurie Garrett [Homepage] über das WEF in Davos sorgt derzeit für Aufregung, allerdings nicht nur aus inhaltlichen Gründen. Der im umgangssprachlichen Ton verfaßte Bericht ("These WEF folks are freaked out") war nur für einen kleinen Bekanntenkreis gedacht und nun ist die Autorin wegen des offensichtlich begangenen Vertrauensbruchs empört, bzw. erstaunt über die Aufmerksamkeit, die ihre "extraordinarily silly exercise" bekommt. Immerhin erfährt man bei Garrett, daß die shakers and movers dieser Welt über einen Irak-Krieg nicht begeistert wären.
[via Scott Rosenberg's Links & Comments 25.2.2002].

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Tuesday, 11. February 2003
Eine generöse Homepage

...mit zahlreichen Texten hat Mark Danner (NYT, New Yorker, NYRoB). Dort findet man u.a. seinen Essay The Truth of El Mozote. "On December 6, 1993, for the second time in its history, The New Yorker devoted its entire issue to one article..." heißt es dazu in der "Life"-Sektion.

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Monday, 10. February 2003

Eine Empfehlung aus der Phil-Lit Mailingliste [Homepage]: Dorothy Sayers "Gaudy Night" [Amazon.com wegen der excerpts]. War mir bisher nicht bekannt, daß sie Dante übersetzt hat ("The result was a fast-paced text, in Victorian style verse, which takes many liberties with the original." [Quelle]).

"Dorothy Sayers discovers Dante" [Christianity Today Bei dieser Adresse will ich ein etwas selbstgefälliges "ähm" einfügen.]

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Sunday, 9. February 2003

Anläßlich der Berlinale wird Jump Cut @ Antville zum Festival-Blog. Der derzeit aktuellste Eintrag ist Ekkehard Knörers anerkennende Rezension von S. Soderberghs "Solaris"-Version [Jump Cut Soderbergh]. Jonathan Rosenbaum lehnt den Film größtenteils ab ("The story's too strong for Soderbergh to kill -- though he comes close.") [Chicago Reader].
Ich schätze Rosenbaum sehr, aber mir ist bei anderen Gelegenheiten schon aufgefallen, daß er dazu neigt, es sich zu leicht zu machen und mit flapsigen Bemerkungen über einen Film drüberfährt. J Hoberman ist hingegen positiv gestimmt:

Solaris achieves an almost perfect balance of poetry and pulp. This is as elegant, moody, intelligent, sensuous, and sustained a studio movie as we are likely to see this season—and in its intrinsic nuttiness, perhaps the least compromised.
[Village Voice].

Außerdem via Jump Cut [2.2.2003]: Der empfehlenswerte Weblog von Jerome Doolittle [Bad Attitudes Journal].

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Saturday, 8. February 2003
P. Boulez wenig schmeichelhaft über Erik Satie

[Google Groups alt.fan.frank-zappa Dank an Bossk(R)]

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Jonathan Rosenbaum bespricht eine neue Dokumentation über Noam Chomsky [Chicago Reader]. Auf Rosenbaums "Best of" Liste für 2002 will ich verspätet auch noch hinweisen.

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Sunday, 2. February 2003
Portrait von Amos Elon

[The Guardian Jonathan Steele]

Eine geschmacklich vielleicht nicht ganz einwandfreie Anekdote:

In an aside, he says the accusation which has become so popular among right-wing Jews that Jewish critics of Zionism are "self-haters" was first used by the journalist Theodor Lessing in the 1930s. "In a discussion on Israeli TV some reactionary once asked me 'Are you one of those self-haters?'. I replied 'No, I don't hate myself. I just hate Jews like you'. Of course you could never say that on a TV programme in any other country," he laughs.

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Monday, 27. January 2003
Und danach

- ebenfalls auf ARTE - Alain Resnais' an Bergman gemahnendes "L'Amour à Mort" (Wiederholung: 3.2. und 11.2.) [Jonathan Rosenbaum Kurzrezension/All Movie Guide]. Der laut Rosenbaum nur in Frankreich als Video erhältliche Film (Musik: Hans Werner Henze) wird in der Originalfassung mit Untertiteln ausgestrahlt.

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Pier Paolo Pasolinis "La ricotta"

...heute in ARTEs "Kurzschluß" (Beginn 00:25, Wiederholung morgen um 17.25).

Ein wahres Kleinod im gesamten Filmschaffen Pasolinis ist sein nächster Film - die Episode "La ricotta" ("Der Weichkäse") - für ein Gemeinschaftsprojekt mit drei anderen Regisseuren: Rosselini, Godard und Gregoretti. Er hat ihn schon während der Arbeit an "Mamma Roma" geschrieben, in die Kinos kam er Anfang 1963 (unter dem Titel "Rogopag" nach den Anfangsbuchstaben der Autoren). Der Produzent, der den Film in Auftrag gegeben hatte, wies Pasolinis Episode wegen "moralischer Beleidigung" zurück, doch wieder sprang Alfredo Bini und konnte die Produktion selbst übernehmen. Sogar die Hürde Orson Welles konnte genommen werden, der im Film den Regisseur spielen sollte und sich nur für eine enorme Summe dafür bereit erklärte. (Er hatte von Pasolini noch nie etwas gehört.) Die Hauptrolle spielte wieder ein Laie, ein Subproletarier, der einen Subproletarier spielt. Aber dieser halbstündige Film ist keine Wiederholung des alten Themas, in ihm überschlagen sich vielmehr in mehrfacher metalinguistischer und formreflektierender Brechung, alle Themen des Dichters Pasolini. Realität und Fiktion gehen in diesem Film ebenso durcheinander wie Schwarzweißfilm und Farbe, Komik und Tragik, Alte und Neue Welt, Realismus und Slapstick, Kunst und Leben, Heiliges und Profanes. Der Ort der Handlung ist der "Set", sind die Dreharbeiten zu einem Film übr die Passion Christi. Pasolini selbst ist also das Thema, seine Arbeit, seine Rolle als Intellektueller und Künstler. Die Wahl von Orson Welles als Regisseur ist dabei so vielsagend wie der Drehort, die heruntergekommene Landschaft vor der Kulisse Roms und die Charaktere, die ihn bevölkern: von der Kulturschickeria bis zu den Hungerleidern. Das Thema des Films im Film ist die ikonographische Wiederbelebung der Kreuzigungsszene im Stile der Manieristen Pontormo und Rosso Fiorentino. Die wahre Passion ereignet sich aber hinter dem Rücken all dieser Akteure. Der profane Tod des Statisten Stracci am Kreuz ist der Wahrheit heilige, die Passion des Films ist dagegen "heillos", irreligiös, ein vulgäres Produkt der Kulturindustrie. Die Authentizität des Stracci liegt in seiner Armut, in seinem *Hunger*, dem archaischen und nie gestillten Hunger seiner *Rasse*. Die Parabel dieses Hungers erzählt Pasolini mit einer Vielzahl von formalen Registern, so daß sich der Zuschauer nie dem bequemen Gefühl des Mitleids überlassen kann. Diese Geschichte reflektiert Pasolinis Dilemma zwischen dem "wahren Leben" und der "wahren Kunst". Dieses Dilemma endet tödlich - nur der Tod kann der entheiligten Welt ihre wahre Dimension zurückgeben.

(Otto Schweitzer: Pasolini. rororo monographie 354, S. 79-80 )

Oje, das hört sich nun eher abschreckend an und ist zudem unglücklich formuliert. Die Menschen am Rande der Gesellschaft als "Rasse" mit authentischeren Ausdrucksformen? Ich befürchte fast, dies ist nicht völlig an Pasolini vorbeiinterpretiert und die weniger schöne Seite seines großen proletarischen Projekts.

Aus Jon Halidays Interviewband "Pasolini über Pasolini" (Folio Verlag, 1995; S. 70-71):

JH: Mit "La ricotta" hatten sie ziemliche Schwierigkeiten. Warum hat man Sie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt?
PPP: Einem faschistischen Gesetz zufolge, das noch immer in Kraft ist, weil die Zivilgerichte hier nie gesäubert wurden, hat man mich zu vier Monaten bedingt verurteilt. Es gibt eine ganze Reihe von Richtern, die von antifaschistischen Gerichten verurteilt wurden, und noch immer Recht sprechen. Der faschistische Kodex kennt mehrere Formen der öffentlichen Verunglimpfung - die der Nation, der Fahne und der Religion eingeschlossen. Der Prozeß war eine Farce. Ich habe dann berufen und wurde freigesprochen. Ich weiß noch immer nicht genau, warum sie mich angeklagt haben, aber es war eine schreckliche Zeit für mich. Ich wurde Woche für Woche verleumdet, zwei oder drei Jahre lang hat man mich in unvorstellbarer Weise verfolgt. Ich kann ihnen aber nicht sagen warum das alles geschah, nur daß es ein Ausdruck der öffentlichen Meinung war, die seltsamerweise zutiefst rassistisch ist, meine ich. Man sagt, daß die Italiener keine Rassisten sind: das halte ich für eine große Lüge. Das italienische Bürgertum hat seinen Rassismus bis heute nicht gezeigt, weil es keine Gelegenheit dazu hatte. Die Italiener in Libyen und Eritrea waren keine Rassisten, weil sie aus dem kalabresischen und sizilianischen Subproletariat kamen. Das Kleinbürgertum hat nur keine Gelegenheit gehabt , rassistisch zu sein, obwohl es rassistisch ist. Ich konnte das an ihrer Haltung meinen Filmen gegenüber erkennen. Die öffentliche Meinung hat sich aus einem unbestimmbaren rassistischen Haß gegen mich aufgelehnt, der wie jede Art des Rassismus irrational ist. Sie konnten einfach Accatone und die anderen Figuren aus dem Subproletariat nicht hinnehmen. Es war also der Rassismus, der der öffentlichen Meinung die Grundlage für die Möglichkeit eines Prozesses geliefert hat.

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Saturday, 18. January 2003
Avantgarde connoisseur

...Brian Olewnick as reviewer at the All Music Guide:
[Google Advanced Search]

And how about the prolific Stephen Thomas Erlewine? There are more than 3000 search results for him [Google Advanced Search]

[Village Voice about AMG (1999)]

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Friday, 17. January 2003
Max Ophüls'"Lola Montez"

Harun Farocki über das Buch "Lola Montez - eine Filmgeschichte" von Marina Müller und Werner Dütsch [taz].
Update 10.2.2003: filmkritik@antville hat eine ungekürzte Version des oben erwähnten Artikels.

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Thursday, 16. January 2003
Quotation from Virginia Woolfs "To The Lighthouse"

[via Phil-Lit mailing list - thanks to Chris Bruce.]

It was a splendid mind. For if thought is like the keyboard of a piano, divided into so many notes, or like the alphabet is ranged in twenty-six letters all in order, then his splendid mind had no sort of difficulty running over those letters one by one, firmly and accurately, until it had reached, say, the letter Q. He reached Q. Very few people in the whole of England ever reach Q. Here, stopping for one moment by the stone urn which held the geraniums, he saw, but now far, far away, like children picking up shells, divinely innocent and occupied with little trifles at their feet and somehow entirely defenceless against a doom which he perceived, his wife and son, together, in the window. They needed his protection; he gave it them. But after Q? What comes next? After Q there are a number of letters the last of which is scarcely visible to mortal eyes, but glimmers red in the distance. Z is only reached once by one man in a generation. Still, if he could reach R it would be something. Here at least was Q. He dug his heels in at Q. Q he was sure of. Q he could demonstrate. If Q then is Q--R--. Here he knocked his pipe out, with two or three resonant taps on the handle of the urn, and proceeded. "Then R ..." He braced himself. He clenched himself.

Qualities that would have saved a ship's company exposed on a broiling sea with six biscuits and a flask of water--endurance and justice, foresight, devotion, skill, came to his help. R is then--what is R?

A shutter, like the leathern eyelid of a lizard, flickered over the intensity of his gaze and obscured the letter R. In that flash of darkness he heard people saying--he was a failure--that R was beyond him. He would never reach R. On to R, once more. R--

Qualities that in a desolate expedition across the icy solitudes of the Polar region would have made him the leader, the guide, the counsellor, whose temper, neither sanguine nor despondent, surveys with equanimity what
is to be and faces it, came to his help again. R--

The lizard's eye flickered once more. The veins on his forehead bulged. The geranium in the urn became startlingly visible and, displayed among its leaves, he could see, without wishing it, that old, that obvious distinction between the two classes of men; on the one hand the steady goers of superhuman strength who, plodding and persevering, repeat the whole alphabet in order, twenty-six letters in all, from start to finish; on the other the gifted, the inspired who, miraculously, lump all the letters together in one flash--the way of genius. He had not genius; he laid no claim to that: but he had, or might have had, the power to repeat
every letter of the alphabet from A to Z accurately in order. Meanwhile, he stuck at Q. On, then, on to R.

Feelings that would not have disgraced a leader who, now that the snow has begun to fall and the mountain top is covered in mist, knows that he must lay himself down and die before morning comes, stole upon him, paling the colour of his eyes, giving him, even in the two minutes of his turn on the terrace, the bleached look of withered old age. Yet he would not die lying down; he would find some crag of rock, and there, his eyes fixed on the storm, trying to the end to pierce the darkness, he would die standing. He would never reach R.

He stood stock-still, by the urn, with the geranium flowing over it. How many men in a thousand million, he asked himself, reach Z after all? Surely the leader of a forlorn hope may ask himself that, and answer, without treachery to the expedition behind him, "One perhaps." One in a generation. Is he to be blamed then if he is not that one? provided he has toiled honestly, given to the best of his power, and till he has no more left to give? And his fame lasts how long? It is permissible even for a dying hero to think before he dies how men will speak of him hereafter. His fame lasts perhaps two thousand years. And what are two thousand years? (asked Mr Ramsay ironically, staring at the hedge). What, indeed, if you look from a mountain top down the long wastes of the ages? The very stone one kicks with one's boot will outlast Shakespeare. His own little light would shine, not very brightly, for a year or two, and would then be merged in some bigger light, and that in a bigger still. (He looked into the hedge, into the intricacy of the twigs.) Who then could blame the leader of that forlorn party which after all has climbed high enough to see the waste of the years and the perishing of the stars, if before death stiffens his limbs beyond the power of movement he does a little consciously raise his numbed fingers to his brow, and square his shoulders, so that when the search party comes they will find him dead at his post, the fine figure of a soldier? Mr Ramsay squared his shoulders and stood very upright by the urn.

Who shall blame him, if, so standing for a moment he dwells upon fame, upon search parties, upon cairns raised by grateful followers over his bones? Finally, who shall blame the leader of the doomed expedition, if, having adventured to the uttermost, and used his strength wholly to the last ounce and fallen asleep not much caring if he wakes or not, he now perceives by some pricking in his toes that he lives, and does not on the whole object
to live, but requires sympathy, and whisky, and some one to tell the story of his suffering to at once? Who shall blame him? Who will not secretly rejoice when the hero puts his armour off, and halts by the window and gazes at his wife and son, who, very distant at first, gradually come closer and closer, till lips and book and head are clearly before him, though still lovely and unfamiliar from the intensity of his isolation and the waste of ages and the perishing of the stars, and finally putting his pipe in his pocket and bending his magnificent head before her--who will blame him if he does homage to the beauty of the world?

- from Virginia Woolf's _To the Lighthouse_ (Wordsworth Editions Limited, 1994), pp. 24 - 26.

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Nachruf als Society-Reportage

Tina Brown über Roy Jenkis [Salon]. Bemerkenswertes: Nicht ein Photo des Verstorbenen ziert den Nachruf, sondern das der Autorin ebendieses Nachrufs (der zwar offiziell keiner ist und unter "Opinion" läuft, trotzdem). Brown befleißigt sich eines leicht abgedreht impressionistischen Schreibstils ("good bones and far-seeing, wise blue eyes") und betreibt name-dropping in einem Ausmaß, das man nur noch als "over-the-top" bezeichnen kann. Ich bin vielleicht ungerecht, aber irgendwie kommt mir das alles doch seltsam vor.

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Saturday, 4. January 2003
Avishai Margalit

...faßt in der neuen "New York Review of Books" einige Erkenntnisse über palästinensische Selbstmordattentäter zusammen [The Suicide Bombers]. Wie Amos Elon in der letzten Ausgabe [Israelis & Palestinians: What Went Wrong], folgt Margalit der nachahmenswerten Intellektuellen-Tradition, vor allem die "eigene Seite" mit deutlichen Worten zu kritisieren. Hinter dem Vorgehen der islamistischen Organisationen sieht er allerdings Ambitionen, die über die Rückgewinnung der besetzten Gebiete hinausgehen.

Hier* noch die wenig elegante Übersicht von Margalits letzten NYRB-Arbeiten, die ich für meinen kurzlebigen Versuch eines englischsprachigen Blogs geschrieben habe. Vielleicht ist sie trotzdem für manche(n) nützlich, schließlich ist die Mehrzahl der Artikel mittlerweile kostenpflichtig. Im Camp Catatonia gibt es eine Kritik von Margalits gemeinsam mit Ian Buruma geschriebenen Essay "Occidentalism" [NYRB 1-2002/Camp Catatonia Eintrag].

* Recently I have been (re-)reading some of Avishai Margalit's Israel essays for the New York Review of Books. These writings are an admirable example for clarity of argument and balanced judgement, which spares neither side in the Israeli/Palestinian conflict.

A short overview of his last four articles:

In Issue 13/1999 (August 12th) he covers Ehud Barak's almost perfectly executed campaign for prime minister, winning over the highly favoured Benjamin Netanyahu, whose portrait by Margalit is hardly flattering ("embarrassingly incompetent", "solitary", "nasty" and "brutish"). "The Odds Against Barak" shows Jerusalem as central issue at the failed Camp David negotiations in July 2000. As in his essay from 1991 ("The Myth of Jerusalem"), Margalit points to the arbitrariness of religious symbols and their instrumentalization, which he comments with an ironic sidenote:

Jews in Israel, both religious and secular, are addicted to simple, emotional metaphors for Jerusalem. Not only is it said to be the "heart" of the Jewish people, it is the "seat" of the nation's soul. But it must be a sort of heavenly Jerusalem they have in mind here, because most Israelis live outside Jerusalem and do not really know - and when they are there they can hardly stand - the earthly, squalid Jerusalem that I, a Jerusalemite all my life, passionately love.

Another quote qualifies as nice aphorism:

There are many things that people are willing to put up with as long as they are not asked to put them in writing.

"Snakes and Ladders" tries to explain the reasons for Intifada II. Margalit thinks that Ariel Sharon's now-infamous visit to the Temple Mount has to be seen as desperate attempt to "out-right" his political competitors Barak and Netanyahu. On the other hand Margalit doesn't believe in the spontaneousness of the following Palestinian uprising:

For example, al-Ayam, the semi-official daily of the Palestinian Authority, reported on December 6, 2000, that Imad al-Falouji, the Palestinian minister of communications, said that the Palestinian Authority began preparing to launch a new intifada from the moment the negotiations at Camp David broke down. The instructions to get ready for conflict, he says, came from Arafat himself.

[...]

If the Palestinians were to stop the violence tomorrow, there is no question that Israel would stop its violence at once. But if Israel stops the violence tomorrow, there is no chance the Palestinians will stop theirs. This I believe is largely true. But the argument neglects the basic asymmetry between the Israelis and the Palestinians. As things stand, a cease-fire would greatly favor Israel; it would leave the Israelis with their heavily patrolled West Bank and Gaza settlements and their punitive border controls; and it would leave the Palestinians without a state. So as defenders of the status quo ante, the Israelis would be more willing to stop the feud than the Palestinians.

Finally, "Settling Scores" focuses on the history and demographic structure of Jewish settlements in West Bank and Gaza.
Margalit still believes in the proposals made at Taba (Egypt): Israel would give up Gaza Strip and all but 3% of West Bank. While this means "solving more than half of the problem", it will also create massive resettlement calamities:

Traveling recently in the West Bank, I met two settlers on the road to Yakir. One of them said: "You guys should stop blaming us. We are here because every Israeli government told us that here is where we should be. We are obedient citizens, and if we are told to leave, we'll leave. All we ask is to be offered a respectable solution." I believe most of the settlers—who are driven neither by nostalgia nor ideology—would agree with them. A "respectable" solution can and should be offered to all the settlers. As for the settlers who reject such a solution, many will fiercely resist and threaten a civil war.

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Wednesday, 1. January 2003
Künstliche Intelligenz

Der Philosoph und Informatiker Klaus Mainzer über Wahrnehmung und Künstliche Intelligenz [Interview]. Die Titelzeile ("Wir sind haptisch, emotional und visuell-anschaulich orientierte Menschen.") ist etwas ungeschickt formuliert und kein exaktes Zitat.
[K. Mainzer Homepage/Bemerkenswerte Liste der Buchveröffentlichungen/Telepolis Interview]

Mainzers neuestes Buch, "Künstliche Intelligenz. Grundlagen intelligenter Systeme" ist bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft [WBG] bereits als lieferbar vermerkt [WBG Forschung]. Außerdem gibt es eine teurere Ausgabe bei der WBG-Tochter Primus.

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Monday, 30. December 2002
Zitat des Tages

Ich weiß zwar nicht, ob der letzte Satz einer genaueren Prüfung standhalten würde (Vermutung: Nein), eine gute Pointe gibt er aber allemal ab.

"Vier spekulative Blasen sind betroffen, weiß die informierte Kritik. Die erste ist der Zukunftshandel, das Ensemble der immateriellen Wetten auf Hard- und Software, Biotech und anderes. Die zweite Blase sind die Börsenwerte, die den Start-up-Jubel finanziert und seit ihrem Höchststand im März 2000 ein bis zwei Drittel Wert verbrannt haben. Die dritte sind, vor allem in Amerika, die Immobilien: Familie Summers aus Sunnydale in Kalifornien [wieder einmal eine von D. Daths "Buffy" Anspielungen - F.F.] hat inzwischen Hypotheken auf ihren Hypotheken sitzen, alte Leute machen Pleite, und junge hängen sich einen Mühlstein um den Hals, um die kostspielige Tätigkeit "Wohnen" zu finanzieren. Neunzehn Millionen Bürger der Vereinigten Staaten geben ein Drittel ihres Einkommens für diesen Luxus aus, ganz ohne Euro-Sorgen. Die vierte Blase ist die des Papiergelds: Wenn der Dollar, das Zeichen der Freiheit, richtig fällt, fällt weltweit vieles mit. Historische Sozialisten und Kommunisten von Charles Fourier und Henri de Saint-Simon über Robert Owen, Wilhelm Weitling, Marx und Engels bis zu Lenin, Mao, den letzten Verstaatlichern am greisen Rand der Labour Party und beherzten Endzeit-Franziskanern wie Oskar Lafontaine wollten und wollen den Reichtum, den der Kapitalismus produziert, real "gesellschaftlich" machen. Die Funktionäre dessen, was man so Kapital nennt, vernichten und enteignen indes zyklisch, im Rahmen von Wertkrisen, mehr von diesem Reichtum, als jeder historische Sozialist, und wäre er zehn Stalins hoch, mit einem halben Dutzend dämlicher Fünfjahrespläne in den Sand setzen kann."

(Dietmar Dath: "Was ist Geld denn schon?", FAZ 28.6.2002)

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Philip Pullman und klare Sprache

Nach wie vor will es mir nicht gelingen, mich beim ewigen Konflikt zwischen "dunkler" und "klarer" Sprache für eine der beiden Seiten zu entscheiden. Philip Pullman wartet in seinem Essay "Voluntary Service" [Philipp Pullman Guardian] mit einem interessanten Bild auf:

"The aim must always be clarity. It's tempting to feel that if a passage of writing is obscure, it must be very deep. But if the water is murky, the bottom might be only an inch below the surface - you just can't tell. It's much better to write in such a way that the readers can see all the way down; [...]"

Nun ist das sicher nicht neu, ich finde die Passage trotzdem gelungen. Allerdings mit der Einschränkung, daß diese Maxime mit durchaus guten Argumenten in dem Bereich vertreten werden könnte, auf den sich Pullman gerade nicht bezieht, nämlich im wissenschaftlichen. Belletristik oder Lyrik hingegen nach diesem Maßstab zu messen, kommt mir eher fragwürdig vor und hätte bei weniger wohlwollender Interpretation sogar eine reaktionäre Schlagseite.

Gutes Zitat also, nur leider falscher Kontext.

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Sunday, 29. December 2002
History of Computing

Nette kommentierte Bibliography dazu [Ch. Petzold Favourite Books on the History of Computing.]

Scheint sehr interessant zu sein: [Ch. Petzold Code. (Untertitel: "The Hidden Language of Computer Hardware and Software".)]

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Sunday, 22. December 2002
"The Rise and Fall of Apple Computer"

[Part 1] [Part 2]
von Jeff Goodell [Homepage].

Dieser Artikel endet 1996, also vor der Rückkehr von Steve Jobs. Laut Angabe von Jeff Goodell hat der Essay insgesamt 30000 Wörter, mein Textverarbeitungsprogramm kommt allerdings auf eine Zahl von 20000. So wie der Autor die Machinationen bei Apple schildert, hört sich deren Firmengeschichte eher wie eine Abfolge von Krisen an, die nur durch kurze Perioden des Erfolgs unterbrochen wurde.

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Saturday, 21. December 2002
(Eine Art) Kulturgeschichte der Betriebssysteme

[Neal Stephenson In The Beginning Was The Command Line]
[Wikipedia Introduction]

Technische Details kommen in dieser umfangreichen Geschichte der Betriebssysteme fast nicht vor und streckenweise wird Stephenson doch arg anekdotenselig. Trotzdem ist es durchaus lohnend, den Essay zu lesen. Besonders interessant sind die Passagen übers Mainframe Computing und Unix. Wenig überraschend gibt es Elogen für Linux und BeOS. Nicht wirklich überzeugen konnte mich Stephenson mit seinem Versuch, den Erfolg des GUI in einen größeren gesellschaftlichen Kontext zu stellen (über den Umweg eines Vergleichs mit Disney):

"Disney World works the same way. If you are an intellectual type, a reader or writer of books, the nicest thing you can say about this is that the execution is superb. But it's easy to find the whole environment a little creepy, because something is missing: the translation of all its content into clear explicit written words, the attribution of the ideas to specific people. You can't argue with it. It seems as if a hell of a lot might be being glossed over, as if Disney World might be putting one over on us, and possibly getting away with all kinds of buried assumptions and muddled thinking. But this is precisely the same as what is lost in the transition from the command-line interface to the GUI.
Disney and Apple/Microsoft are in the same business: short-circuiting laborious, explicit verbal communication with expensively designed interfaces."

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Friday, 20. December 2002
M. Scorseses "Gangs of New York"

Rezension von Jonathan Rosenbaum:
[Chicago Reader].

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Thursday, 19. December 2002
DeepHousePage

[via taz T. Baumgärtel Komprimierte Ekstasen ("So bleiben legendäre DJ-Sets für die Nachwelt konserviert.")]:

[DeepHousePage.com]

There you can find among many interesting items The History Of House.

... Link


XBox

One of Microsoft's possible motives behind the XBox:

"Idei [Sony's CEO] saw the PlayStation 2 as a kind of Trojan horse. It looked like a simple video-game device, but it was actually a device that people would use to access the Internet, download movies, watch DVDs, and play music; eventually, it would do everything but curl hair and make toast. The heyday of the P.C. was over, Idei prophesied, and the first contender in the rush to replace it was the PlayStation 2. Soon the headlines were predicting war: 'WILL FUTURE PLAYSTATIONS TARGET PCS?'

With the Xbox, Gates isn't playing offense; he's playing defense.Most of Microsoft's profits come, one way or another, from its domination of the personal computer. Idei, with his talk of replacing the P.C., was effectively marching into Microsoft's house and announcing that he was really going to enjoy living there in a few years. A few months after Idei's Comdex speech, Microsoft announced that it would be developing the Xbox. (A company called Flextronics would handle the production of the consoles.) If such machines were going to become all-purpose, Internet-ready entertainment modules, Microsoft had to get in the game. That meant designing the machine itself; only if it owned the hardware could it control the ground rules, and therefore the software. This is Microsoft's modus operandi. When it decides a new technology is important, it seeks to set the standards, forcing other companies to build to those standards.

The Xbox, then, is a hedge against irrelevance."

(James Surowiecki: The Paranoia Principle. The New Yorker 21.11.2001. This article isn't online anymore, I think)

Other XBox links: [Salon Inside The XBox]
[Salon Dean Takahasi (Excerpt from his book "Opening the Xbox: Inside Microsoft's Plan to Unleash an Entertainment Revolution.")]
Pro: [Salon XBox Ueber Alles]
Contra: [Salon XBox Squared]
[Wired Magazine XBox technology ("There is real power on the pins, notably in a seven-layered slab of silicon code called nv25. This chip is the latest in the flagship GeForce series of GPUs (graphics processing units) made by Nvidia, the Intel of the graphics chip industry. The highly parallel internal design of the newest GeForce means that the nv25 can execute 1 trillion operations per second.")]
[Wired Magazine Making of XBox]
[Wired News XBox Live]

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No comment

"Microsoft has never forced technology on the users."

Hirohisa "Pat" Ohura, managing director of Microsoft Japan. [Salon Interview "Land of The Rising XBox]

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Kubrick Dokumentation

Heute um 1:00 in der ARD: Jan Harlans Dokumentation "Stanley Kubrick: A Life in Pictures".

[All-Movie Guide ("...torrent of admiration [for Kubrick]. A more balanced portrait will surely come, but it won't be able to match the production values and access to key collaborative figures this film offers.")]
[SF Examiner J. Harlan Portrait]
[Epilog.de ("Wer sich seit längerem für Stanley Kubrick interessiert, wird nur wenig Neues erfahren; wer den Regisseur noch nicht kennt, bekommt möglicherweise Lust, seine Filme zu sehen.")]
[Pressekonferenz zu "Stanley Kubrick: A Life in Pictures"]
[Moviemartyr ("...adulatory documentary...","... portrayal of the director offered in this film still seemed suspect to me.")]
[DVD Talk J. Harlan Interview]
[Austin Chronicle Harlan Interview]
[AreaDVD ("... sehr gute Zusammenfassung von Kubricks Lebenswerk...", "Insgesamt... allerdings doch oberflächlicher als man es vielleicht erwartet hätte...") Laut dieser Quelle ist die Dokumentation nicht einzeln, sondern nur mit der Warner Kubrick-DVD Collection erhältlich]

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Tuesday, 17. December 2002
Kleiner Kanon schlechter Bücher

[via Arno Schmidt Mailingliste - Hinweis von Giesbert Damaschke]

[FR Online Aus einem kleinen Kanon schlechter Bücher]

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Zoogz Rift

Zoogz Rift's career-spanning double-MP3CD "Dada Is Surrealism With A Sinister Agenda" with 200 songs has enthused me for the last couple of weeks. At $25 for American and $30 for overseas orders it's a bargain, too. Here's the spectacular (and rudely funny) title track of 1987's "Island of Living Puke":

[ZR Island of Living Puke MP3 (For copyright reasons resampled at meagre 64kbps = 1.4 MB)]
[Zoogz Rift at MP3.com]
[Order Zoogz Rift's MP3 collection AFAIK it's also possible to pay in cash, which is better sent via registered mail.]
[ZR's announcement of said CD affz 20.9.2002/Update 29.9.2002]
[ZR's Homepage]

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Monday, 16. December 2002
The Neptunes

[MusicWorld Feature]
[Africana.com]

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Saturday, 7. December 2002
Zweimal Venezuela

Kurze Polemik [Standard Christoph Prantner]. Ein längerer Artikel bei ZNet (ist natürlich seiner politischen Ausrichtung nach nicht unvoreingenommen) zeigt hingegen durchaus glaubhaft, daß Hugo Chavez mehr getan hat, als Fidel-style lange Monologe in seiner eigenen TV-Sendung zu halten.

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Saturday, 23. November 2002
Harmony Korines "Gummo"

...heute um 3:33 auf Pro7. Manchmal erstaunlich, was das Privatfernsehen zu nachtschlafener Zeit ausstrahlt. [All-Movie Guide/Fanpage/Interview]

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Thursday, 21. November 2002
Kritik an Reich-Ranickis Musil-Kritik

Walter Fantas moderate Antwort auf MRRs Versuch einer Quasi-Demontage von Robert Musil [Literaturhaus.at via Musil Mailingliste]

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Sunday, 10. November 2002
"Whoa dude!"

Warum ich es tun sollte, weiß ich nicht, aber irgendwie könnte ich mich mit "Jackass" anfreunden. Grund: Auto-Aggression ist die einzige Form von Gewalt, die ich unter gewissen Bedingungen akzeptiere. Im "Standard" war letzthin zu lesen, die Rezensionen des "Jackass"-Films seien fast durchgehend negativ gewesen. Ich habe im Gegenteil den Eindruck, daß die Rezeption (auch der renommierten Medien) erstaunlich positiv ist, inkl. einer anerkennenden "Johnny Knoxville als Intellektueller"-Geschichte in der NY Times [Meet Jackass the Sophisticated Dude]. Man scheint sich mit der Rüdheit der Sprache & Streiche abgefunden zu haben. Das Zitat des Tages stammt aus der "Village Voice": "die-hard self-mutilator Steve-O" [Village Voice Ed Halter (dort findet man auch eine kleine "Jackass"-"Kulturgeschichte"*)].

*Zitat:
MTV would surely love to claim Jackass as a mutant by-product of its Real World franchise, but its roots lie elsewhere. Knoxville began by testing self-defense products on a video for skateboard magazine Big Brother; other participants cut their teeth in the skater-heavy CKY video-prank series. Their self-destructive brand of docu-comedy emerged as a bizarrely elaborate version of a skateboard-video mainstay: slam sections, in which footage of guys fucking up and hitting concrete are anthologized for brutally sympathetic comic relief. Jackass's appeal draws on another aspect of skate culture: the notion of twentysomething misfits—with no girls in sight—still living the dream of overgrown-teenager class-clown shtick. But Jerry Lewis believed that the childish pleasures of getting retarded were not simply at the root of great comedy; schlemiel-ing is also a form of psychological resilience. "I am nine years old when performing comedy," he wrote. "At that age, hurt is possible, but degradation is seldom possible."

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"Buffy"/"Salon"

Da wäre ich als hoffnungsloser Pop-Mensch gerne dabei gewesen: Stephanie Zecharek berichtet über eine Konferenz [Programm] im englischen Norwich mit dem Titel "Blood, Text and Fears: Reading Around "Buffy the Vampire Slayer" [Salon BT&F/St. Zacharek Beitrag für "Blood, Text and Fears"].

Salon bietet derzeit gesponserte "Limited time free access" Subskriptionen an. Einfach einen der "Premium"-Links anklicken und nach unten scrollen.

Salon [siehe Robotwisdom Website-resources for Salon.com] geht es finanziell übrigens alles andere als gut. Ihre Aktien sind gerade mal einen Cent wert [Yahoo].
Obwohl das Magazin sicher seine Fehler hat - eine eher hemdsärmelige Politikberichterstattung, die fast völlige Absenz der "Fine Arts" und Schreiber wie David Horwitz kommen mir hier in den Sinn - wäre es schade um Salon. Da werde ich also doch Subskribent werden müssen, auch wenn dies wohl kaum gegen die Schulden in der Höhe von über 75 Millionen Dollar helfen wird, die sich laut dem nicht gerade freundlich gesinnten Brian Carnell angesammelt haben.

Jetzt muß ich mich aber erst einmal von meinem beschämend gierigen Raubzug im Salon Archiv* erholen.

*Z.B. [Forty movies every film fan should see]
[Sinéad was right]
[Michael Moore Interview]
[The last great liberal hero (über Sen. Wellstone)]
[Längeres Christopher Hitchens Interview (ich sehe seine Thesen und seinen Habitus der letzten Monate skeptisch)]
[Bummed Out - San Francisco]
[Paul Gauguin's erotic life]

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Monday, 4. November 2002
Edgar Reitz Eintrag im "Katz"

Aus aktuellem Anlaß und Metainteresse (schließlich ist der "Katz" laut Eigenwerbung "The Book Hollywood Can't Live Without"):

"Reitz, Edgar. Director. Born on Nov. 1, 1932, in Moorbach, Germany. A watchmaker's son, he grew up with a divided interest in science and the arts. Midway through engineering college, he switched over to the University of Munich, where he studied literature, drama, and art history. Staying in Munich after graduation, he assisted local filmmakersin various capacities before turning out his first film in 1958. In the following decade he directed numerous short documentaries, industrials and inventive experimental films, several of which won top prizes at international festivals. With Alexander KLUGE and 24 other young filmmakers he signed in 1962 the famous Oberhausen Manifesto, which called for the abolition of Germany's stagnant "papa's cinema" and the infusion of young blood and new ideas into the national motion picture industry. During the same year, Reitz, Kluge, and several of the others established a film school, the Institut für Filmgestaltung, at the Academy for Advanced Design in Ulm, where Reitz taught film technique and served as the director until 1968. All the while he contined directing shorts and in 1966 served a co-cinematographer on Kluge's breakthrough film Abschied von Gestern/Yesterday Girl. The following year Reitz directed his own first feature, Mahlzeiten/Mealtimes, a film rich in ironic double entendre that won the prize for the best first feature at the 1967 Venice Festival. Several features later, Reitz directed what could be the most ambitious film of all time, and is certainly the longest. He devoted more than five years to write, shoot and edit Heimat/Homeland/Made in Germany (1984), a 15-hour and 24-minute memory-based saga of a German family and its joys and tribulations from the end of WW I to the dawn of the 80s. Some critics faulted the film's undisciplined structure and questioned the moral fortitude of its view of German society during the Nazi era. But many hailed Heimat as masterpiece, one of the most significant achievements of contemporary cinema."

(Ephraim Katz: The Film Encyclopedia (3rd edition, 1998) pp. 1145-1146)

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What Time Is Money

Bill Drummond (KLF) im Interview [standard.at]. Kleingeistig frage ich mich nur, ob die konzeptionelle Anregung von Drummonds berüchtigter Geldverbrennungsaktion das Gute aufwiegt, das man mit der einen Million Pfund finanzieren hätte können.

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Saturday, 2. November 2002
Thomas Hardys "Jude The Obscure"

[Today In Literature]

Update 28.12.2002: This article isn't available anymore at "TiL".

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Friday, 1. November 2002
Felsblock und Entengrütze

"Die schieren Zahlen aber erklären nicht die revolutionäre Wucht, mit der die Suhrkamp-Bücher den Muff und Mief der fünfziger, sechziger Jahre aufwirbelten. Die Regenbogenfarben der von Willy Fleckhaus entworfenen edition suhrkamp leuchteten so verheißungsvoll, weil das Land dahinter so grau und verhangen war. [...] das war der Augenblick, in dem Herbert Marcuses Repressive Toleranz, Günter Eichs Latrine, Brechts Johanna und Frischs Andorra die Oberfläche aufrissen wie ein Felsblock, der in Entengrütze fällt."

Ulrich Greiner in seinem - ja, würde ich schon sagen - berührenden Nachruf [Die Zeit] auf Siegfried Unseld. Man erfährt nicht viel Neues, aber wie sollte es auch anders sein, da doch eine Reihe von Unselds verlegerischen Verdiensten (z.B. die Unterstützung von Uwe Johnson und Wolfgang Koeppen) schon längst zum anekdotischen Allgemeingut gehören.

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Saturday, 26. October 2002
Comics Journal Weblog

Beim TCJ wird jetzt auch gebloggt [Journalista].

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Übersicht der jüngeren irakischen Geschichte

Ein "LE MONDE diplomatique" Essay im österreichischen "Standard":
[Gekürzte Fassung/Ungekürzte Fassung]

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Donna Tartt

[Guardian Interview]
Hier wird eine von der Autorin selbst gelesene Audioversion von "The Secret History" erwähnt. "Salon" hat einen MP3 Ausschnitt daraus [Salon Audio]
[Guardian Rezension] von "The Little Friend", Tartts zweitem Roman nach einem Hiatus von zehn Jahren.

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The Return of Arts & Letters Daily

Arts & Letters Daily wurde vom Chronicle of Higher Education gekauft und ist wieder da. [Dennis Duttons "Dear Reader" Message]
Trotz allem schön, daß diese von ihrer politischen Tendenz her nicht immer sympathische Institution weitermachen kann.

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Adrian Tomine

Längeres Portrait [East Bay express] des Comic-Zeichners Adrian Tomine [Verlag: Drawn & Quarterly].
Zitat:

In 1992, Tomine moved to Berkeley to attend the university. He went to class by day and worked on the strip and his own comic by night. With the help of some good reviews in the underground press, he soon gained a ragtag following. Through it all, he received next to nothing in the way of formal art training. He had set out to be an art major at Cal, but was quickly disillusioned. "It and I were not a good match," he says. "It tended to lean towards modern fine art. Very conceptual. I would bring in something comic-book-related to class and the teacher would ask me to explain myself. They expected me to make some ironic use of comics and comment on pop culture. Then this guy with a ponytail would bring in a box, like a diorama with a feather glued to it, and it had a time piece and a sepia-tone photo, and he said it was inspired by a Sting song*. And the teacher said it was great. That enraged me." Tomine switched his major to English literature.

Tomine hat also ein distanziertes Verhältnis zur Moderne*, was unter Comic-Künstlern keine Seltenheit ist. Naheliegende Beispiele dafür sind Daniel Clowes und Robert Crumb, über den Gary Groth in seinem Vorwort zu "Your Vigour For Life Appalls Me. Robert Crumb Letters 1958-1977" schreibt, er habe "such an aversion to so much of modernism (forget post-modernism!)". Eigentlich pikant, daß die immer noch belächelten Comic-Zeichner sich mittlerweile als Hüter des Handwerks gegenüber der als Scharlatanerie empfundenen Konzeptkunst gerieren.

*Diese (vielleicht parodistisch verzerrte) Geschichte hört sich allerdings etwas seltsam an.

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Wednesday, 23. October 2002
Pop and I

Scheinbar nebenbei geäußerte Bemerkungen können bei persönlichen Idiosynkrasien leicht zu Gereiztheit führen. So ist es mir mit folgendem Zitat von Sarah Vowell ergangen. Sie meint in einem "Profile" des "Boston Globe" [Sarah Vowell Boston Globe]:

''Some people are the dumb kind of smart,'' Vowell says in defense of her crazy quilt of passions. ''Hoity-toity pretentious snobs who only like the things they're supposed to like and only learn at the places where they're supposed to learn. The smart kind of smart is learning from whatever is available to you.''

Was sich für mich doch sehr nach dem typischen Eklektizismus anhört, der vorgibt, seine Sympathien auf so ziemlich alles zwischen Stephen King und James Joyce, Backstreet Boys und Schönberg zu verteilen, dabei Hochkultur allerdings nur als halbverdauten, strategisch gesetzten Zitatenschatz verwendet. Was soviel heißt wie: Ja, King *und* Joyce, ja, "Buffy" *und* T.S. Eliot, aber im Endeffekt ist uns das Populäre schon lieber, weil leichter verdaulich. Und heraus kommt dabei eine Middlebrow-Sicht auf Kunst. Eine nicht kleine Pointe ist, daß ich mich - geprägt und imprägniert von der Unterhaltungsindustrie - selbst zu diesen Pop-Leuten zählen muß.

Sarah Vowell kann übrigens recht gewiefte Feuilleton-Geschichten schreiben, wie etwa diese über Schlaflosigkeit[Vowell Guardian].
Beispiele für Vowells Radiobeiträge [Sarah's Consonant Vowells]
Rezension ihres letzten Buchs [Salon Partly Cloudy Patriot]

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Tuesday, 8. October 2002
This one is cracking us up

Doonesbury von heute (Visuell ist der Cartoon nur eine von Gary Trudeaus berühmten "White House - Exterior" Kameraschwenks):

Karl Rove [White House senior advisor]: Hey Mr. President, how'd that great line of yours go?
The one that cracked up the Joint Chiefs today?
George Bush: No, Karl, no...
Berater (mehrere gleichzeitig): Tell! Tell!
GB: Okay, okay. I told them that we had to invade Iraq because I was worried sick about the UN's credibility.
Berater (Aufruhr): HA!! HA! HA! HA! HA! HA! HA!
Karl Rove: He killed the Chiefs with that one! Killed!
GB: Well, everyone was being soo serious.

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Monday, 7. October 2002
Arts & Letter Daily 1998-2002?

Der Untergang von Lingua Franca* hat nun Auswirkungen auf Arts & Letters Daily. Sollte die Seite noch eine Zukunft haben, dann ist dies wahrscheinlich eine ohne die derzeitigen Beiträger Tran Huu Dung und Denis Dutton, die mit ähnlichem Konzept und Design auf Philosophy & Literature weitermachen.

(D.D. meint in seiner Message to our readers:
Most Internet polls ask intelligent questions like, “Should Kylie marry Jason?”
Die Ignoranz des aktuellen Pop-Gossips ehrt Dutton, denn diese Frage ist das eine oder andere Jährchen nicht mehr aktuell...)

*Rezension von "The Best of Lingua Franca" [LA Times Google Cache]
Nachruf von Ron Rosenbaum [NY Observer]

Update: Ein weiterer Artikel (streckenweise sehr "juicy") über das Ende von LF und über einen Gerichtsprozeß gegen D. Dutton im Zusammenhang mit A&L D. [MOBYlives Who killed Lingua Franca]
und
[Salon Dennis Dutton Interview]

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Geldverdienen mit Weblogs

Clay Shirky über Weblogs and the Mass Amateurization of Publishing. Gefunden via Peterme.com, wo der angesprochene Beitrag diskutiert wird [Peterme.com Clay Shirky].
Überraschenderweise stehen die Chancen, den Lebensunterhalt mit dem Bloggen zu bestreiten nicht besonders gut ;-)

"But the vast majority of weblogs are amateur and will stay amateur, because a medium where someone can publish globally for no cost is ideal for those who do it for the love of the thing. Rather than spawning a million micro-publishing empires, weblogs are becoming a vast and diffuse cocktail party, where most address not "the masses" but a small circle of readers, usually friends and colleagues. This is mass amateurization, and it points to a world where participating in the conversation is its own reward."

Ein weiterer sympathischer Ansatz: Weblogs als "World's Biggest Peer Review" (Peterme.com)

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Sunday, 6. October 2002
Applaus im Jazz

"At the first jazz concert I attended - the Thelonious Monk Quartet - I felt baffled, then dismayed, by the audiences need to add a full stop to each solo by applauding when it seemed to be over, irrespective of merit or the flow of the music. By the mid 1960s, the perpetually fragile relationship between audience and performers had succumbed, in certain forms of jazz at least, to a sequence of stereotypical gestures."
(David Toop*: Ocean of Sound. p.99 Serpaint's Tail, 1995)

*siehe Perfect Sound Forever D. Toop Interview

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Friday, 4. October 2002
Beck Interview

...in der taz. Nicht rasend aufregend, aber doch ganz nett.

"Beck Hansen: Ehrlich gesagt: Mir ist im Moment danach, möglichst viele Alben aufzunehmen. Ich werde vielleicht sogar mehrere Alben pro Jahr erschaffen [erschaffen?].
taz:Warum?
Beck:Ich habe den Eindruck gewonnen, dass es für Musiker einfach gesünder ist, wenn sie etwas produktiver sind. Das hat den Vorteil, dass nicht jeder Ton gleich auf die Goldwaage gelegt wird. [...]"

Und - immerhin! - Bill Viola wird erwähnt.

[taz Beck Interview]

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Wednesday, 2. October 2002
Lynchs "Mulholland Drive" (New Yorker)

Längerer Artikel aus dem New Yorker über die Genese von David Lynchs ursprünglich als Fernsehserie konzipiertem "Mulholland Drive". Zitate:

David Lynch wanted to make a TV series unlike any other. The network said it was eager to get beyond the formulas of prime-time programming. What could go wrong?

[...]

Most television shows are sold as the offspring of previous hits, and targeted to their advertising demographics. Joss Whedon, the creator of the WB network hit "Buffy the Vampire Slayer," recalls, "We sold 'Buffy' as 'The X-Files' meets 'My So-Called Life.' They liked it because 'The X-Files' was a big hit, and because the kid audience buys a lot of shit."

Television is a bastion of tradition. Susanne Daniels, the president of entertainment at the WB, told me, "One reason we bought 'Buffy the Vampire Slayer' was that we had been talking about 'Kolchak: The Night Stalker' and how it was scary and funny at the same time, and we wanted to recapture that." Peter Roth, the president of Warner Bros. Television, says he often pages through television nostalgia books and circles shows that could be profitably updated Proudly recalling one of his achievements when he was at Fox, Roth said, "I circled 'Kolchak,' and then had lunch with Chris Carter, and out of that conversation came 'The X-Files.' Every top-ten show has been seen before. The trick is to repackage and contemporize to make a modern hit. 'E.R.' is derived from the likes of 'Medical Center.' 'Ally McBeal' is 'The Mary Tyler Moore Show."'

Und hier wirds lustig:

Yet privately the executives at ABC were increasingly nervous. That same week, Tony Krantz [Lynch's production partner] said, "Steve Tao ["ABC's vice-president of drama programming"] is seeing the dailies"--each day's raw footage--"and saying, 'Oh, my God, we love it, we love it.' But then he said, 'What is it? What is it?' And when he saw some of the closed ending he said, 'What the fuck is it?'"(The closed ending features a Blue Lady and a magician who explodes in blue flames.)

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Sunday, 29. September 2002
Becks iPod Teil 2

Die Wired News berichteten im Juli über iPod DJing [With IPod, Who Needs a Turntable?]. Zitat:

"The staff [of the club Apt] initially uploaded about 900 songs on the iPods, drawing heavily on a list of Beck's iPod collection recently published in The New York Times Magazine."

Ob da wohl auch Weberns "Bagatellen für Streichqartett" op.9 (auf Becks iPod Playlist*) verwendet wurden?

*siehe Weblog Eintrag zu Becks "Sea Change"

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Friday, 27. September 2002
Godards "Masculin Féminin"

...heute um 22:30 auf 3sat.

Hier eine pointiert kulturpessimistische Deutung des Films vom Godard Biographen W.D. Wheeler:

In the wake of Pierrot le fou, Godard created one of his most compellingly bleak films of the 1960s, one of which still holds up well today. Fascinated by pop music, and the concomitant merchandising of pop music stars, Godard contacted Chantal Goya, already a well-known chanteuse of 'yé yé' music - a lushly orchestrated, bouncy, saccharine style of French pop music which ruled the airwaves in the mid-sixties. Godard proposed that Goya should appear as Madeleine in the film titled Masculin Féminin, working with Jean-Pierre Léaud (as Paul) [...]

Shot by Willy Kurant rather than Raoul Coutard, Masculin Féminin was rushed into production in November through December of 1965, and filmed almost entirely on location in Paris. Nearly everything in the filmm is shot with synchronous sound, and Godard with this film deepened his love for long takes, utilizing complex dollies to hold audience interest.
Ostensibly adapted from two stories by Guy de Maupassant, "La Femme de Paul" and "Le Signe", the film deals with the developing relationship between Paul and Madeleine, and the harsh throwaway world of pop music business, which is seen by Godard as a brutally rapacious enterprise.

[...]

The drab greyness of Masculin Féminin makes even the bleak, futuristic Paris of Alphaville seem glittering by comparison. Once again, Godard uses mostly natural light, and shoots much of the film at night (highlighting the depressing rush of the Parisian Christmas buying frenzy). Godard's camera assumes a near-documentary veracity in this film [...]
The camerawork throughout the film is sparse and functional, and heavily "tripoded". There are only a few handheld shots [...]
The film abounds in petty cruelties and savage throwaway gags; [...]
In the entire world of Masculin Féminin, there is not an ounce of warmth or compassion.

[...]

Structured as a series of "15 precise acts", and interspersed with typically Godardian full-screen slogans ("Purity is not of this earth, bt every ten years it shines and flashes"; "A mole has no consciousness, but it digs in a specific direction"; "This film could be called the children of Marx and Coca Cola - think of it what you like") accompanied by the random sound of rifle fire, Masculin Féminin is a meditation on the seeming impossibility of relations between the sexes, and the complete commercialism of contemporary art and music.

[...]

It is also worth noting that Masculin Féminin is Godard's last film in black and white; the commercial necessity of color for subsequent sales to television had become, by 1966, an unavoidable reality.

(Wheeler Winston Dixon in: "The Films of Jean-Luc Godard" (S. 67-70. University of New York Press, 1997)

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Thursday, 26. September 2002
Christian Petzolds "Die innere Sicherheit"

O-Töne Christian Petzolds aus einem Interview mit Stefan Grissemann (in "Die Presse" 21.4.2001):

"[...]Diese Lust am offenen Gefühl hat mich angewidert: Method-acting-Kino wollte ich nie. Mir war stets das Nachbeben wichtiger: die Zeit nach dem Schock, wenn das ganze Ausmaß der Katastrophe, des Leids noch mal sichtbar wird, ohne direkt da zu sein."

"In Nicholas Rays Johnny Guitar hat die Bande ihr Versteck hinter einem Wasserfall, wo sie Zeit totschlagen muß. Solche Momente ohne Aktion, wo jemand einfach nur wartet, sind im amerikanischen Kino ja äußerst selten. Und da sieht man nun einen der Männer ein Buch lesen. Das hab' ich nie zuvor gesehen. Film-Gangster können Autos fahren und Waffen auseinandernehmen, aber daß sie Bücher lesen, ist unerhört. Meine Helden lesen auch Bücher, und gemäß der Logik Hollywoods sind sie keine herkömmlichen Gangster: Wären sie das, so würden sie die Geschichte nicht in die Hand nehmen, gewaltsam abkürzen wollen - Terroristen, könnte man sagen, wollen das. Im Grunde sind Gangster die schlimmsten Spießer, das bestätigt einem jeder Rechtsanwalt. Sie wollen nur, was sich auch die Kandidaten bei Günther Jauch wünschen: einen Pool, Ruhe, klare Verhältnisse. Wenn ein Mafioso an die Macht kommt, hat er sofort die höchsten Zäune und die besten Überwachungskameras. Als ich sechzehn war, im deutschen Herbst, habe ich ja nicht, wie die Generation der RAF, unter Nazi-Eltern gelitten, sondern nur unter schwachen Eltern, die sich weder zum Faschismus bekannten noch zur sozialliberalen Koalition."

"Die Terroristen haben damals eine Kraftlinie durch die BRD gezogen. Später, in den Jahren Helmut Kohls, waren dann alle Diskurse und alle Theorie plötzlich erledigt. Mir kam die ganze Linke vor wie eine einzige entsetzliche historische Niederlage. So wollte ich einen Film machen, der ein Nachbeben dieser Niederlage ist."

"Der Grundgedanke war: alles, was Geschichte ist, muß sich in den Szenen abbilden, darf aber nicht benannt werden. Ich mag Kino nicht, das Geschichte dialogisch aufarbeitet, da ist man dann ganz schnell in diesem bundesdeutschen Semi-Dokumentarismus, wo sich Leute so unterhalten: ,Warum bist'n du so blaß?' - ,Du, ich war doch im Gefängnis'. Ich zeige eine durchritualisierte Familie, anders kann sie im Untergrund nicht funktionieren: Ihr wichtigster Ort ist der Küchentisch, dort werden die Konferenzen abgehalten. Sie ist in größter Gefahr, von innen her zu zerfallen - und doch fängt sie und faßt sie sich immer wieder an diesem Küchentisch."

Im Sofa Blogger wurde über "Die innere Sicherheit" diskutiert. [Le Sofa Blogger Petzold]

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Scorseses "After Hours"

...heute um 20:15 auf 3sat.

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Zwei Ästhetiken

"Als der Film ["King of Comedy"] auf dem Festival in Cannes am Eröffnungsabend gezeigt wurde, ging ich mit Sergio Leone hinter die Bühne, und er schaute mich an und sagte: 'Martin, das ist Dein reifster Flm.' Ich weiß nicht, ob das seine Art war, mir zu sagen, daß er ihn nicht mochte. Ich vermute, ich kam darauf, weil meine Freunde und ich über langsame Filme, bei denen die Kamera sich nicht bewegt, jahrelang denselben Witz machten: sie verrieten 'Reife'. In der Village Voice habe ich einmal gelesen, Jim Jarmusch, der Regisseur von STRANGER THAN PARADISE und DOWN BY LAW, habe so etwas gesagt wie: 'Es interessiert mich nicht, die Leute beim Schopf zu packen und ihnen zu sagen, wo sie hinschauen sollen.' Also, ich will, daß sie genauso sehen wie ich. Die Straße hinuntergehen, sich schnell umsehen, Fahrten, Schwenks, Zooms, Schnitt und alle diese Dinge. Ich mag es, wenn zwei Bilder zusammenkommen und sich bewegen. Ich nehme an, so etwas gilt vielleicht nicht als 'reif', aber mir macht es Spaß."
(Martin Scorsese in "Scorsese über Scorsese" hrsg. von David Thompson/Ian Christie. Verlag der Autoren, 1996)

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Wednesday, 25. September 2002
Glenn Gould bei Arts & Letters Daily

Arts & Letters Daily hat einige Links zu Glenn Goulds 70. Geburtstag. (Gleich daneben befindet sich auch ein Eintrag zu Catherine Millet, auf die es die Leute von "A&L Daily" besonders abgesehen haben*: "The Baroness Munchausen of sex. Catherine Millet’s memoir is to eroticism what an account of bulimic gorging and vomiting is to gastronomy...". Nun ja, der Artikel von Anthony Daniels ist, das muß ich zugeben, in seiner konservativ-aggressiv-polemischen Art dann schon wieder brilliant.)

*Mit "Pull-Quotes" wie "It’s the strangest book, it’s academic porn, it’s chthonic vulgarity".
[siehe A&L Daily 2002 Archive]

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Nick Broomfields neuer Film

Die Charakterisierung des Tages kommt von J. Hoberman, der in der "Village Voice" Nick Broomfields [B.s Official Site] neues Werk "Biggie & Tupac" rezensiert:

"Fools rush in, and so does British stalkumentarian(!) and pop culture muckraker(!) Nick Broomfield—this time churning up the murky waters that have submerged the unsolved 1996-97 murders of rap artists Biggie Smalls and Tupac Shakur."
[Mehr]

Einige der Filme von Broomfield habe ich durchaus mit Faszination gesehen - nicht zuletzt wegen seiner wirklich ziemlich abenteuerlichen Gung-ho Taktiken -, z.B. "Hollywood Madam" (über Heidi Fleiss) und "Kurt & Courtney" (über Kurt Cobain und Courtney Love).

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Monday, 23. September 2002
Becks "Sea Change"

Stephen Thomas Erlewine schreibt enthusiastisch über das neue Album von Beck [All Music Guide Sea Change], der ein Pop-"Star" im besten Sinne ist: Ein extrem populärer Musiker, auf den sich Kritiker und Hörer der unterschiedlichsten Couleurs einigen können. (Die NYT ist etwas nüchterner.)
Hier die Playlist von Becks iPod [Beck's 198-Track Mind html Vorschau/pdf ~1 MB ("Out of the 8,000 songs Beck has downloaded onto his hard drive, he's got a rotating mix of hundreds on his iPod that he updates daily. This is what Beck was listening to on Feb. 27, 2002".)]

... Link


Saturday, 21. September 2002
Joss Whedon im NYT Magazine

"[...] Whedon has created one of the most intelligent, and most underestimated, shows on television. Like the Serenity, ''Buffy'' might look at first sight like a disposable toy, something cobbled from materials that most adults dismiss out of hand: teen banter, karate chops and bloodsucking monsters. Before the show went on the air in 1997, executives at the fledgling WB network begged him to change the whimsical title, arguing that the show would never reach intelligent viewers. But it did. ''Buffy'' is about a teenage girl staking monsters in the heart, but her true demons are personal, and the show's innovative mix of fantasy elements and psychological acuity transcends easy categorization. Despite being perpetually snubbed at the Emmy Awards, ''Buffy'' has become a critics' darling and inspired a fervent fan base among teenage girls and academics alike. The show's influence can be felt everywhere on television these days, from tawdry knockoffs like ''Charmed'' to more impressive copycats like ''Alias.''
[NYT Magazine "Must-See Metaphysics"]

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"Der Interessantist"

Der österreichische Falter über Wolfgang Kos, der zum neuen Direktor des Historischen Museums Wien ernannt worden ist. Der Artikel hat kritische Untertöne. So wird ein angeblich "leicht geschmäcklerische(r) Hang zum Archivieren des Aktuellen" bei Kos festgestellt. Außerdem würde durch seinen "monomane(n) Arbeitseifer [...] jede von ihm aufgenommene intellektuelle Regung verkost(!)". Das Wort des Tages ist aber "Interessantismus".

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Wednesday, 18. September 2002
Updikes "Rabbit Remembered"

Eine gelungene Besprechung von John Updikes Epilog zur "Rabbit"-Tetralogie, jetzt bei Rowohlt als "Rabbit - eine Rückkehr" erschienen. In Amerika ist "Rabbit Remembered" (so der Originaltitel) Teil der Kurzgeschichtensammlung "Licks of Love".

Deutschlandfunk Rezension [Manuskript/Sendungsmitschnitt MP3 4.5MB - Streaming RA]
Letzthin wurde Updike von Denis Scheck interviewt:
Deutschlandfunk [Transkript/Sendungsmitschnitt MP3 5.6MB - Streaming RA]

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Joseph Franks Dostojewskij

Einige Links zum fünften Band von Joseph Franks monumentaler Dostojewskij-Biographie:

[Princeton UP]
Dostoyevsky: The Mellow Years [NYT Book Review]
Dostoevsky: The Mantle of the Prophet, 1871-81 [Globebooks]
Peerless [Commentary]
The conclusion of Joseph Frank's magnificent biography [The Guardian]
Portrait von Joseph Frank [Chronicle of Higher Education]

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Robert Rodriguez

Ich habe bisher nicht gewußt, daß Robert Rodriguez ein Buch zur Entstehung seiner, wie man so sagt, Low Budget Produktion "El Mariachi" geschrieben hat [Amazon.com "excerpts" aus "Rebel Without a Crew: Or How a 23-Year-Old Filmmaker With $7,000 Became a Hollywood Player"]. The Ten-Minute Film School ist ein Ausschnitt daraus, der sich großer Beliebtheit erfreut. Zitat:

"Okay, so you wanna be a film-maker? [...]Wrong! You ARE a film-maker. The moment you think about that you want to be a film-maker you're that."

Bemerkenswert ist das Interview mit dem "Onion Club". Rodriguez betont immer wieder, wie wichtig es für einen Regisseur ist, die technischen Aspekte des Filmemachens im Griff zu haben, und zwar sowohl aus künstlerischen als auch aus ökonomischen Gründen:

O: You also taught yourself CGI, is that correct?
RR: Yeah, that's what From Dusk Till Dawn and The Faculty were for. I was already writing Spy Kids, and I knew that would be my bigger movie, because it wasn't for the niche audience ["DTD" und "TF" waren für ein "Nischenpublikum" gedacht? F.F.], it was for a broader audience, it had the potential to just be something more special. But I didn't know enough about the effects, and I didn't want to have to call in the technicians. So I did some practice movies to prepare myself to do Spy Kids the way I did Mariachi, where you're able to do everything yourself. Because that's just so important. Then, you're a painter. Then, you can just paint on the canvas; you don't have to have the paint mixer there, and the canvas stretcher there, and the paintbrush holder there.

Über "Spy Kids 2":
We did the whole sound mix of the movie in my garage, we mixed it all there. I edited it in my garage, shot at home, made it much more a home movie

[...]

My first boss taught me, "If you want to be successful, you're already creative. Become technical. Creative people aren't technical; technical people aren't creative. They always need each other, and they're always on opposite sides of the room." That's why nothing gets done. That's why my bed is stacked high with technical manuals. It puts me to sleep just reading them, but you have to trudge through them. You have to learn new things, and you have to start all over, but art challenges technology, and technology challenges art. Always.

Schade, daß die Filme von Rodriguez mich nicht so recht überzeugen können. Das Lesen seiner theoretischen Ausführungen ist mir bis zu einem gewissen Grad definitiv lieber...

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Frank Zappa: Oz

Auf der Chrome Dinette-Seite kann man sich das neue posthume Frank Zappa Album "FZ:OZ" (Live In Australia) in streaming RealAudio anhören [Direktlink]
Zappa.com (hat vor kurzem einen sehr technophilen Relaunch erlebt): [Info/Flash Animation]

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