Wilhelm v. Humboldt/Jean-Francois Champollion
Ich zeige wieder einmal die Einfalt dessen, der sich durch Superlative beeindrucken läßt:
Bei alldem stand er [Wilhelm von Humboldt] auf solidem empirischen Fundament. Seine Sprachenkenntnis war phänomenal; er beherrschte das Französische, Englische, Italienische und Spanische in Wort und Schrift; ebenso Griechisch, Lateinisch, Baskisch, Provenzalisch, Ungarisch, Tschechisch, Litausch. Mehr als zwei Jahrzehnte beschäftigte er sich mit den Eingeborenensprachen Mittel-, Süd- und Nordamerikas; er befaßte sich mit dem Koptischen, Altägyptischen (1822 entzifferte Champollion die Hieroglyphen), Chinesischen und Japanischen, ab 1820 vor allem mit dem Sanskrit. Seit 1827 trat noch die Beschäftigung mit den malayisch-polynesischen Sprachen hinzu. Dieselbe Arbeitsintensität, mit der er einst das preußische Unterrichtswesen zu ordnen oder das Dickicht des politischen Alltags durch "Prinzipien" zu lichten unternommen hatte, wandte er nun an die Erforschung der menschlichen Sprachen. Alein aus den Jahren 1820 bis 1823 fanden sich im Nachlaß etwa dreißig selbstverfaßte Grammatiken und Wörterbücher amerikanischer Sprachen. Das Fragment "Analyse der mexikanischen Sprache" und die Vorlesung "Inwiefern läßt sich der ehemalige Kulturstand der eingeborenen Völker Amerikas aus den Überresten ihrer Sprache bestimmen?" wurden erst lange nach Humboldts Tod gedruckt. Kaum hatte er sich eineinhalb Jahre mit dem Sanskrit befaßt, da publizierte er bereits einen Aufsatz über die Verbalformen des Sanskrit, der Franz Bopps und A.W. Schlegels Beifall fand. 1825 und 1826 widmete er sich dem Studium der unter dem Namen "Bhagavadgita" bekannten Episode des "Mahabharata". 1828 las Humboldt in Paris über den Vergleich griechischer mit sanskritischer Tempusbildung. Kleinere Aufsätze hatten das Thema der Schrift und ihres Verhältnisses zur Sprache zum Gegenstand; so der Essay "Über die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau", den er am 20. Mai 1824 in der Berliner Akademie vortrug.
(Peter Berglar: Wilhelm von Humboldt. rororo bildmonographie 161, S. 129-130) Apropos Champollion: Die Sammelrezension von John Sturrock mit dem Titel "Key words: unlocking lost languages" wollte ich schon länger verlinken [LRB Guardian].
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